Liebesnaehe
Gegenstand menschliche Züge und wartete begierig darauf, jemanden umarmen zu dürfen. Weiter bemerkt er zwei Koffer, eine große Reisetasche und eine schmale Aktentasche, er ist sich jetzt ganz sicher, dass Jule Danner eine leidenschaftlich Reisende ist, eine Frau auf Reisen , wie er es insgeheim nennt, um dann noch zu ergänzen, dass sie eine allein reisende Frau auf Reisen ist, kein Begleiter hat je diese Koffer und Taschen getragen, nein, ganz ausgeschlossen, sie würde niemand anderem den Zugriff auf diese Gegenstände gestatten.
– Wonach riecht es denn hier? fragt er die junge Hotelangestellte.
– Es riecht nach Pfirsich, antwortet sie.
– Stimmt, das ist Pfirsich, sagt er verwundert und fragt die junge Frau, ob sie Jule Danner kenne.
– Ja, antwortet sie, ich weiß, wen Sie meinen, aber ich habe noch nie mit ihr gesprochen.
– Ich möchte ihr eine Nachricht hinterlassen, sagt er und fragt nach, ob es möglich sei, dass er einen Zettel auf dem Schreibtisch hinterlege.
– Ja, antwortet die junge Frau, warum nicht? Soll ich Ihnen ein Blatt Papier geben?
– Neinnein, vielen Dank, sagt er, ich habe Papier dabei, ich notiere die Nachricht kurz und Sie legen den Zettel dann auf den Tisch. Ist das in Ordnung?
– Natürlich, antwortet die junge Frau, geben Sie mir den Zettel, ich lege ihn dann auf den Schreibtisch.
– Ja genau, antwortet er, legen Sie ihn auf den Schreibtisch, und legen Sie ihn bitte auf die Mappe mit den Briefbögen.
– In Ordnung, sagt die junge Frau und beginnt selbst, auf einem Formular die Getränke zu notieren, die sie gerade in die Minibar gestellt hat.
Er nimmt sein Notizbuch aus der Jackentasche und presst es gegen sein rechtes Knie. Gebückt, tief nach unten gebeugt, schreibt er:
Feldsalat mit Steinpilzen. Stockfisch mit gegrilltem Gemüse. Ein großes Helles.
Ein Espresso. Und ein Gespräch – aber worüber?
Er reicht der jungen Angestellten die Notiz und gibt ihr ein kleines Trinkgeld.
– Das wäre nicht nötig gewesen, sagt sie.
– Doch, sagt er, das geht schon in Ordnung. Sie haben mir geholfen, ganz einfach und unkompliziert. Vielen Dank!
Er wendet sich ab und geht den schwach erleuchteten Flur zum Lift zurück. Er fährt hinunter in das Stockwerk, in dem sich sein eigenes Zimmer befindet. Es kommt ihm so vor, als spielte seine mächtig arbeitende Phantasie jetzt mit ihm verrückt, denn er glaubt fest, nach dem Öffnen seiner Zimmertür, einen hellgrünen Bademantel auf seinem Hotelbett vorzufinden: mit weit ausgebreiteten Armen!
Er schwitzt etwas, er wischt sich mit den Fingerkuppen die Stirn, und sofort ist das Bild der feinen Schweißperlen da, die er auf der Stirn der schönen Schwimmerin entdeckt hat, als sie gemeinsam den Lift benutzten. Ich bin etwas verrückt, flüstert er und schüttelt den Kopf. Seit er in diesem Hotel eingetroffen ist, hat ein unheimlicher Zauber von ihm Besitz ergriffen, längst ist er nicht mehr ganz Herr seiner selbst, nein, er ist nur noch Teil einer verwirrenden Geschichte, an der ein anderer oder etwas anderes schreibt. Ja, wahrhaftig, er kommt sich vor wie eine Romanfigur, deren Bewegungen von einem fernen Erzähler gelenkt und bestimmt werden. Ach was, so ein Unsinn! Natürlich hat er die Geschichte im Griff, jederzeit kann er aussteigen, jederzeit kann er seine Sachen packen und dieses Hotel verlassen!
Aber warum denkt er an Aufbruch und Abfahrt? Denkt er etwa an eine Flucht? Ist es schon so weit mit ihm, dass er sich vor der Schwimmerin zu fürchten beginnt
und dass sie ihm unheimlich wird? Ja, so weit ist es anscheinend bereits, aber gerade weil es bereits so weit ist, könnte er der Sache auch eine andere Richtung geben: Vielleicht befreit ihn diese Geschichte Schritt für Schritt von all den Gedanken und Befürchtungen, mit denen er hierhergekommen ist, vielleicht ist diese Geschichte dazu bestimmt, ihn abzulenken oder sogar einige der Fragen zu beantworten und ein paar jener Probleme zu lösen, mit denen er sich nun schon so lange herumgeschlagen hat.
Er öffnet die Tür seines Hotelzimmers und schaut sofort auf sein Bett. Na bitte, kein dunkelgrüner Bademantel, nichts davon, ein Stückchen Vernunft und Klarheit sind ihm also immerhin noch geblieben! Er setzt sich an den Schreibtisch und öffnet den Laptop. Nach einer Weile tippt er den Namen von Katharinas Mann in das Suchfeld einer Suchmaschine und widmet sich dann den Links, die auf dem Bildschirm erscheinen. Er geht sie kurz durch und speichert die
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