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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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Spiegel stehen. Was zog man zu so einem Künstlerabend an? Was hatte sie sich überhaupt darunter vorzustellen?
    Sie rief Ben an.
    »Es tut mir leid, Ben, ich stehe ein bisschen neben mir, ist vielleicht ein bisschen viel im Moment für mich.«
    »Das weiß ich doch. Aber trotzdem freue ich mich natürlich, dass du noch einmal anrufst.«
    »Ja … gern.« Was hatte sie früher mit ihm geredet? Aber es hatte ja nie ein Früher wie dieses Heute gegeben.
    »Geht es dir sonst gut?«
    »Ja, danke. Stell dir vor, ich gehe nachher noch mit in die Künstlerszene. Meine Rezeptionistin hier hat mich eingeladen, die kennt sich aus.«
    »Ah ja?«
    »Ja, vielleicht bringt sie mich so auf Inger Larssons Spur. Ist das nicht toll?«
    Das klang schrill, das hörte sie selbst. Es war der Versuch, ihn mitzureißen, ihn zu einem Begeisterungssturm zu veranlassen, den er selbst nicht abliefern wollte. Es war falsch. Es hörte sich falsch an – und das war es auch. Denn sie wusste plötzlich, dass Bens berufliche Verhinderung ein Segen war. Wäre er mitgekommen, dann hätte er sie behindert, sie abgehalten, hätte tausend Argumente aufgefahren, um nicht finden zu müssen, was sie finden wollte.
    »Pass auf dich auf«, sagte er, und das passte zu ihm.
    »Ja, Schatz, das tu ich«, sagte sie und war froh, als das Gespräch beendet war.
    Siri versprühte die pure Lebensfreude, und Ella ließ sich schnell anstecken. Sie schätzte Siri auf Ende zwanzig, nicht viel jünger als sie selbst, aber sie wirkte so anders. So unbeschwert, so locker, so frei. Liam, ihr Freund, war ein Vorzeigeschwede, fand Ella. Groß, blond, blauäugig. Er fuhr einen uralten Volvo, den er verbotenerweise direkt vor dem Hotel geparkt hatte.
    »Bitte«, sagte er auf Deutsch und hielt Ella die hintere Autotür auf. Diese Kombination aus jung, unkonventionell und gutem Benehmen begeisterte Ella. Sie streifte Siri mit einem kurzen Blick. Ihre Augen lachten Liam an, und er gab es mit einer Mundbewegung zurück.
    Wie schön, dachte Ella. Und wie jung. Und sie fühlte sich plötzlich uralt.
    »Also, es gibt ja viele Möglichkeiten in Stockholm«, begann Liam, nachdem er losgefahren war, und sah sie im Rückspiegel an, »aber unser Lieblingsviertel ist Södermalm.«
    »Und woher sprechen Sie so gut Deutsch?«
    Sie sah von hinten sein Achselzucken unter dem verwaschenen blauen T-Shirt. »Das war einfach ein Fach in der Schule.«
    »Ja, wir sind ja sprachlich nicht so weit voneinander entfernt.«
    »Kulturell auch nicht. Und in unserem Nationalmuseum stehen all die wunderbaren Stücke, die beispielsweise von Augsburger Künstlern angefertigt wurden.«
    »Ah ja?« Ella schämte sich, nicht mehr dazu sagen zu können. Sie hatte schlicht keine Ahnung.
    »Was haben Sie von Stockholm denn schon gesehen?«, mischte sich Siri ein, und Ella versuchte, den Tag irgendwie zusammenzufassen.
    »Und warum ist Ihnen gerade diese Künstlerin so wichtig?«
    Ella überlegte kurz. »Sie hat in meiner Heimatstadt eine Ausstellung laufen, und darin ist das Portrait eines jungen Mannes zu sehen, den ich mal kannte. Er ist verschwunden, und ich dachte, ich könnte vielleicht etwas über ihn erfahren.«
    »Verschwunden?« Siri drehte sich nach ihr um. »Entführt? Oder abgehauen? Freiwillig?«
    Wie viel konnte Ella verraten?
    »Das weiß ich eben nicht. Ich habe ihn einfach nur auf diesem Portrait wiedererkannt. Mehr nicht.«
    »Aha.« Liam kratzte sich im Nacken. »Menschensuche in Schweden. Ganz schön schwierig.«
    »Und warum wollen Sie ihn finden?«, wollte Siri wissen. »Haben Sie ihn geliebt?«
    »Nein. Er war damals einfach in unserer Clique.«
    Viele waren in ihn verliebt, dachte sie dabei. Er war wohl so ziemlich der begehrteste Junge in der gesamten Oberstufe.
    »Und dann ist er Ihnen so wichtig?«
    Ja, das hörte sich irgendwie seltsam an, das musste sie zugeben. »Und ich wollte sowieso schon immer nach Stockholm«, wich sie aus. »Ich bin ein sehr neugieriger Mensch.«
    »Journalistin?«, fragte Liam.
    »Wäre ich gerne geworden«, gab Ella zu. »Aber irgendwie hat sich mein Leben anders entwickelt. Ich bin im Immobiliengeschäft.«
    »Ja, damit lässt sich in Stockholm auch viel Geld verdienen.«
    »Ich verdiene leider nicht viel.« Sie lachte verlegen. »Und außerdem möchte ich das Du anbieten.«
    Liam nickte und steuerte zügig durch den Verkehr.
    Ellas Smartphone vermeldete eine eingegangene Nachricht, und sie zog es aus der Tasche. »Na, Süße, lebst du eigentlich noch? Bin jetzt

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