Liebesnöter
in New York gelandet und vermisse dich spätestens morgen bei meinem ersten Einkaufsbummel. Was treibst du? Kuss, deine allerbeste Freundin.«
Na, so was, eine SMS von Steffi. Eigentlich wollte Ella nichts von der Umgebung verpassen, denn gerade fuhren sie an einem unendlich hohen Glasobelisken vorbei, der beleuchtet war und aus einem riesigen Brunnen zu wachsen schien. Deshalb schrieb sie nur kurz zurück.
»Schatzi, darüber habe ich dir doch eine lange Mail geschrieben. Müsste längst über den Atlantik geflogen sein.«
»Habe aber nichts bekommen. Lange Mail? Was gibt es denn so Aufregendes?«
»Ruf deine Mails ab, ich bin in Stockholm.«
»Stockholm??? Just for fun? Bin gespannt, Kuss!«
»Viel Spaß in NY .«
Sie genoss die Fahrt, die vielen Brücken und Lichter und die ganze nächtliche Stimmung von Stockholm.
»So, da wären wir!« Liam parkte rückwärts in eine Lücke am Straßenrand ein. »In Stockholm sind Autos eher lästig«, erklärte er. »Aber wir wohnen außerhalb, da geht es nicht anders.«
Siri stieg bester Laune aus. Sie war ein unglaubliches Wesen, fand Ella. Konnte ein Mensch tatsächlich immer gut drauf sein? Sie jedenfalls nicht.
»Jetzt zeigen wir dir die Alternativszene«, sagte Siri. »Die Jeunesse dorée feiert woanders.«
»Aha, wo denn?«, wollte Ella wissen.
»Zwischen Stureplan bis Berzeliipark, dem Königlichen Park. Das kannst du dir ja morgen mal reinziehen, wenn du Lust hast, da findest du Bars, Klubs, alles, was bis morgens um fünf Spaß macht.«
Ella unterdrückte ein Gähnen. Und zudem hatte sie eine Mission und war nicht wegen des Nachtlebens da, aber das konnte sie schließlich nicht verraten.
»Das überlege ich mir dann morgen mal. Danke für den Tipp!«
Södermalm gefiel ihr viel besser als die moderne Seite der Stadt. Die engen Gassen und das unebene Kopfsteinpflaster gaben ihr das Gefühl, irgendwo zwischen Mittelalter und Neuzeit zu stehen. Wenn man hier nachts alleine durchlief, fing man bestimmt an, an Gespenster zu glauben. Dann stieß der schmale Durchgang auf eine belebte breitere Gasse, und Liam ging zielstrebig auf ein Gebäude zu, das proppenvoll zu sein schien, denn die Menschen standen Schlange bis auf die Straße.
»Okay«, sagte er zu Ella. »Wir gehen hinten rein.« Eine schmale Gasse, fast eher ein Spalt, tat sich zum Nachbarhaus auf, das auf den ersten Blick wie angewachsen schien. Liam ging voraus, Ella hinterher, dann Siri. Zwischen den Mauern war es stockdunkel, und Ella spürte rechts und links die Mauersteine an ihren Händen, während sie Liam folgte. Siri lachte. »Wenn dir eine Ratte begegnen sollte, dann grüß sie schön. Die haben hier alle Namen.«
Bitte nicht, dachte Ella, aber sicher machte Siri nur einen Witz. Unwahrscheinlich war es aber auch nicht. Vor einer zweiflügeligen Tür, durch deren Holzlamellen Licht auf die Gasse fiel, blieb Liam stehen. Er klopfte laut und öffnete die Tür. Essensgeruch schlug ihnen entgegen, und Ella wartete ab, bis sich Liam durch den schmalen Eingang hindurchgezwängt hatte. »Salut, Alain«, hörte sie ihn sagen und staunte wenig später nicht schlecht, als sie selbst in dem Raum stand. Es war tatsächlich die Küche. Blitzender Edelstahl, moderne Technik und einige Männer, die so beschäftigt waren, dass sie nicht einmal aufschauten. Nur einer hob kurz den Kopf, wischte mit seinem Unterarm über die Stirn und kam auf sie zu. »Salut, Liam. Et Siri.« Er lächelte und erinnerte Ella sofort an Roger. Französisch war einfach eine wunderbar melodische Sprache, dachte sie, weich und verführerisch. »Je suis Ella«, stellte sie sich selbst vor.
»Ça va?« Er musterte sie.
Er sah gut aus in seiner weißen Kochjacke und der selbstbewussten Körpersprache. Schon wieder einer, dachte Ella, treffe ich hier eigentlich nur noch gut aussehende Männer?
»Geht hinein«, sagte er. »Am Tresen findet ihr noch Platz, und der nächste freie Tisch ist eurer. Ich komme später dazu.«
Er war ein ganz anderer Typ als Roger. Jungenhaft. Eher wie ein Footballspieler, breit gebaut, athletisch und mit einem verschmitzten Lächeln im offenen Gesicht.
Oje, dachte sie. Offensichtlich könnte ich mich gerade rund um die Uhr neu verlieben.
Durch die Schwingtür eilte ihnen eine junge Frau mit einem Tablett voll schmutzigem Geschirr entgegen, und Liam machte ihr schnell Platz, bevor sie selbst hindurchgingen. Der Raum besaß zwei Ebenen. Unten standen viele kleine Holztische, etwas erhöht Tische mit
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