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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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den vorderen, großen Raum gut einsehen. Die Einrichtung war eher bescheiden, aber gemütlich. Ein Holztisch mit sechs Stühlen, dahinter eine graue Couchecke mit bunten Kissen und ein hüfthohes Büfett aus schwarzem Holz, das wie eine Antiquität aussah.
    Aber wo war Inger?
    Was, wenn genau in diesem Moment jemand herauskam?
    Dann würde ihr etwas einfallen, dachte Ella. Sie musste es wagen, auf die andere Seite des Hauses zu kommen, wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
    Sie lief möglichst schnell zu den schützenden Bäumen auf der anderen Seite des Weges, ihre Servierplatte fest unter dem Arm.
    Nichts rührte sich.
    Ella stand vor einem Raum, der wie ein Wintergarten aus dem Holzhaus ragte. Und hier sah sie zwei Frauen inmitten von Bildern, einer Staffelei und einem Gemälde, an dem eine der Frauen offensichtlich gerade arbeitete. Sie trug auch Pluderhosen wie Margareta, ihre schweren Haare hatte sie mit einem dicken Gummi auf dem Hinterkopf aufgezwirbelt, ihr Oberkörper steckte in einem rot-weißen Flanellhemd.
    Sie reinigte gerade ihre Pinsel in einer Flüssigkeit und hörte Inger zu, die auf sie einredete.
    Aber jetzt kamen ihr Zweifel: War Inger wirklich Inger? Wenn die andere Frau an der Staffelei stand?
    Es sah doch eher so aus, als hätte sie sich getäuscht.
    Dann war die Frau, die sie verfolgt hatte, vielleicht ihre Agentin? Auch das wäre möglich, dachte Ella. Sie hatte ihr gleich zu sehr nach Geschäftsfrau ausgesehen und weniger nach Künstlerin.
    Jetzt steckte die Malerin ihre Pinsel mit den Pinselhaaren nach oben zu einigen anderen in eine offene Dose, hob beschwichtigend beide Hände und verschwand durch eine kleine Tür in das Innere des Hauses. Wieder konnte Ella nichts sehen, aber offensichtlich redeten sie durch die Tür weiter miteinander, bis auch die Besucherin aufstand und der Malerin folgte.
    So komme ich irgendwie nicht weiter, dachte Ella, was besprechen die beiden dort?
    Schweden, so hatte sie gelesen, brauchten keine Vorhänge, keine Rollläden und schlossen auch ihre Türen nicht ab. Sollte sie sich einfach ins Haus schleichen?
    Der Gedanke kam ihr so abwegig vor, dass sie fast aufgelacht hätte. Aber was war schon dabei? Dort diskutierten zwei Frauen. Eine davon war Inger Larsson, da war Ella sich jetzt fast sicher. Und möglicherweise ging es um Ellas Auftauchen in der Galerie und um Moritz.
    Oder reimte sie sich das alles nur zusammen? Hatte Roger sie mit seinem Krimidrehbuch angesteckt?
    Während sie nachdachte, schlich sie sich noch näher an das Haus heran. Das Grundstück war ziemlich verwildert. Hohe Gräser, Farne und dichte Pflanzenbüschel wuchsen in wilder Harmonie um das Gebäude herum, und Äste und Zweige der hoch gewachsenen Bäume lagen einfach im Gras und rotteten langsam vor sich hin.
    Ella war es recht. Alles, was ihr Schutz bot, war ihr recht. Im Notfall konnte sie sich einfach auf den Bauch fallen lassen, dann war sie sicher außer Sichtweite.
    Und wenn sie im Haus entdeckt wurde? Das war doch Einbruch.
    Nein, dachte sie, höchstens Hausfriedensbruch oder so. Und waren nicht gerade die Schweden für ihre Gastfreundschaft bekannt? Sie konnte ja einfach um ein Glas Wasser bitten. Eine Wanderin, der plötzlich übel geworden war. Schwangerschaft oder so, dafür hatten Frauen Verständnis – und leider hatte man ja ihr Klopfen nicht gehört …
    Mit dieser Version fühlte sich Ella gleich besser, und sie beschloss, gar nicht so heimlich zu tun.
    Heimlich genug, um nicht gehört zu werden, aber auch wieder so natürlich, dass ihre Lüge als Wahrheit durchging.
    Doch dann fiel ihr ein, dass die beiden ja Schwedisch miteinander sprachen. Da konnte sie direkt daneben sitzen und war trotzdem kein bisschen schlauer.
    Aber die Zeit lief ihr davon, und hier draußen herumzustehen brachte sie auch nicht weiter.
    Unentschlossen ging sie auf das Haus zu.
    Vielleicht hatte sie ja noch eine Eingebung, bevor sie an der Haustür angekommen war. Kurz kam ihr der Gedanke, einfach umzukehren, einige Stunden mit Roger zu genießen und dann ganz einfach in ihr altes Leben zurückzukehren. So, als hätte es weder ein Portrait von Moritz noch einen Franzosen namens Roger gegeben.
    In diesem Moment ging die Haustür vor ihr auf, und sie blieb wie angewurzelt stehen. Die Frau, die nicht Inger war, kam heraus und blieb ebenfalls stehen, als sie Ella sah. Sie musterten einander, und Ella suchte verzweifelt nach einer guten Ausrede.
    »Haben wir uns nicht schon auf der Fähre

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