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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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bisschen herumspazieren«, sagte Ella und wusste selbst, dass sie mit ihrer Servierplatte unter dem Arm für den Kapitän ein seltsames Bild abgeben musste.
    »Ah ja«, er lächelte freundlich mit Zähnen, deren Verfärbung reichlichen Tabakgenuss bezeugte.
    »Und vielleicht Inger Larsson besuchen«, setzte sie schnell hinzu. Ella hatte gehofft, spontan etwas über Inger zu erfahren, aber der Kapitän zuckte nur mit den Schultern.
    »Ja. Dann vielen Dank!« Ella beeilte sich, hinter Inger herzukommen.
    Links zog sich eine schroffe Hügellandschaft hin, hinter den Häusern lag ein dichter Wald, und zur Rechten verlor sich eine sanfte Landschaft in der Ferne. Inger schlug einen schmalen, mit Tannennadeln bedeckten Weg ein, der am Waldrand entlangführte.
    Jetzt muss ich aufpassen, dachte Ella. Ihr direkt hinterherzugehen war zu auffällig. Sie schaute sich nach dem jungen Pärchen um. Die beiden standen noch immer auf dem Steg. Nicht weit von ihr entfernt stand der Ornithologe, kramte in seinem Rucksack und förderte eine dunkelgrüne Baskenmütze zutage, und die alte Dame war bereits vor ihrem Haus angelangt. Jedenfalls stand sie vor der roten Eingangstür und suchte in ihrer Einkaufstasche nach dem Schlüssel.
    Ein schneller Blick auf die Uhr sagte Ella, dass sie noch vier Stunden Zeit bis zum Dinner mit Roger hatte. Das sollte zu schaffen sein, das musste zu schaffen sein, dachte sie, und mit dem Gedanken an das abendliche Treffen spürte sie ein Ziehen im Bauch, das vielleicht aber auch ein Hungergefühl sein konnte.
    Der Boden unter ihren Füßen war angenehm weich, und die Luft roch würzig. Ella sog den Duft tief ein und versuchte beim Gehen herauszufinden, wonach genau es eigentlich roch. Nach dem Harz der Laubbäume und dem salzigen Geruch des Meeres? Aber waren das hier nicht Süßwasserseen? Ganz sicher war sie sich nicht, aber es war anregend und auf jeden Fall besonders. Auch die wilden Schreie der Möwen passten hierher und die Rufe anderer Seevögel. Sie dachte an den Ornithologen. Falls er tatsächlich einer war, war das hier sicherlich eine Vogelgoldgrube.
    Der Weg verzweigte sich und führte durch dichte Tannen und lichte Laubbäume hindurch. Ella sah kein Wasser, aber nach etwa einer halben Stunde hörte sie rhythmisches Wellenklatschen, offensichtlich näherte sie sich der anderen Seite der Insel. Und tatsächlich, die Bäume gaben die Sicht auf einige nackte Felsen frei, die zerklüftet waren und steil zum Ufer abfielen. Gar nicht ohne, dachte Ella, als sie vom Pfad aus auf das schäumende und gurgelnde Wasser hinuntersah. Nachts würde sie hier nicht gehen wollen. Der Weg führte hinter hohen Felsen entlang, die wie von einem Riesen verloren einfach im Gelände standen. Ella ging langsam und vorsichtig weiter. Inger hatte sie aus den Augen verloren. Hatte sie eine Abzweigung übersehen? Ein besonders großer, moosiger Fels, der mit seinen grünen Farnen und Sträuchern einem kleinen Hügel glich, verdeckte ihr die Sicht nach vorn. Er erinnerte Ella an eine Zeichnung aus ihren Kindertagen. Gleich würde er den Hals strecken und ihr Guten Tag sagen. Aber während sie noch darüber lächelte, blieb sie erschrocken stehen. Neben dem Fels öffnete sich der Blick, und Ella stand vor der Rückseite eines Hauses, das eine geniale Lage hatte: Es thronte über der Schärenlandschaft wie ein Vogelnest im Uferfelsen. Hier mussten die Sonnenuntergänge phantastisch sein, dachte sie und sah gerade noch, wie sich die Haustür an der Längsseite hinter Inger schloss.
    Wahnsinn, sie hatte es geschafft, sie hatte tatsächlich Ingers geheimnisvolle Adresse aufgespürt.
    Und jetzt?
    Am Haus stand ein Motorroller, also gab es auch eine bequemere Möglichkeit, um hierherzugelangen. Ella suchte hinter einem Laubbaum Deckung und beobachtete das Haus. Was würde jetzt geschehen?
    Nichts.
    Wie dumm. Konnte sie noch dichter ran?
    Nach einer Weile traute sie sich hervor und schlich näher. Jetzt erkannte sie, dass das Haus zum Wasser hin große Fenster hatte. Und von der Seite aus konnte man gut hineinsehen, denn es gab keine Vorhänge, und es war von Licht durchflutet.
    Inger saß an einem Holztisch am Fenster und redete mit jemandem in einer Zimmerecke, die Ella von ihrem Platz aus nicht einsehen konnte. Offensichtlich war die Frau aufgeregt, denn sie gestikulierte heftig, und jetzt stand sie auf und verschwand aus Ellas Blick.
    Das brachte sie nicht weiter.
    Ella schob sich noch näher an das Haus heran. Nun konnte sie

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