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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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ja wie mit einer vollgeschriebenen Tafel. Wenn sie abgewischt wurde, konnten neue Buchstaben und Formeln Platz finden, konnten neue Gedanken und neue Ideen entstehen. Aber Ella spürte nur, dass ein Gefühl in ihr immer stärker wurde: Sie musste noch einmal zu der Galerie. Warum, das hätte sie nicht beantworten können. Das Gefühl war einfach da, ein unbestimmter Drang, dort noch einmal hinzugehen. Und zwar gleich.
    Sie stand auf und wollte ihr Netbook herunterfahren. Aber es war noch eine Mail eingegangen. »Mach keinen Blödsinn«, las sie und: »Halt mich auf dem Laufenden.« Ella grinste. Das war ihre alte Steffi. »Sure«, schrieb sie zurück. Sicher. Das war ihr Losungswort für jeden Unfug ihrer Jugendjahre gewesen. Bei Gelegenheit würde sie ihr auch über Inger und Malin schreiben, aber erst wenn sie mehr wusste.
    Siri winkte ihr zu, als sie aus dem Hotel ging, und Ella fand es interessant, wie schnell sie sich an einen neuen Ort und an neue Menschen gewöhnte. Bisher hatte sie sich als sehr bodenständig eingestuft, und jetzt stellte sie fest, dass sie direkt wechseln könnte. Ein Jahr in Schweden, warum nicht?
    Diesmal fand sie die Galerie schnell. Der kleine Spaziergang tat ihr gut, sie fühlte sich frischer und wacher. Vielleicht würde sie heute ja einen Schritt weiterkommen?
    Ella blieb auf der anderen Straßenseite stehen, in dem Hauseingang, den sie schon einmal benutzt hatte. In der Galerie brannte Licht, aber trotzdem sah sie verlassen aus. Erstaunlich, dachte Ella, wie konnte man mit so einem Geschäft nur einen Gewinn machen? Oder lag das Geld im Transfer der Künstler? Verdiente man mit einer Inger Larsson in Deutschland mehr?
    Ella wagte sich aus ihrem Versteck heraus und ging an den Schaufenstern vorbei. Vor dem Antiquitätengeschäft an der Ecke blieb sie stehen. Ihre Servierplatte war bereits wieder ausgestellt, also hatte Malin sie heute Morgen schon vorbeigebracht. Und jetzt hatte sie ein Gemälde bestellt, dachte sie, so ein Blödsinn für so viel Geld. Aber die Ereignisse hatten sich überschlagen, und dieser Auftrag war die einzig gute Ausrede. Was soll’s also, sagte Ella sich, dann hast du jetzt eben ein Blumenmustergemälde, eine kleine Erinnerung an Schweden.
    Aber die Servierplatte hätte sie trotzdem gern behalten.
    Kurz entschlossen ging sie erneut in das Antiquitätengeschäft. Der Stuhl, in dem der alte Mann gesessen hatte, war leer, und auch sonst war niemand in dem Geschäft zu sehen.
    »Hallo?«, rief Ella und sah sich ein bisschen um. Es war gar nicht so leicht, einen Überblick zu bekommen, so viele Dinge, die erst bei genauer Betrachtung zu wirken begannen. Eine kleine weibliche Bronzefigur mit Pfeil und Bogen. Ella nahm sie in die Hand, sie war wunderschön gearbeitet, eine kleine Amazone. Sie suchte nach einem Preis, fand aber wieder keinen.
    »Eintausendreihundert«, sagte da eine Stimme hinter ihr. »Ein sehr schönes Stück aus England, Entstehungszeit etwa 1890.«
    Ella drehte sich um. Hinter ihr stand eine untersetzte Frau mittleren Alters und lächelte sie freundlich an.
    »Kostet bei Ihnen alles eintausendreihundert Kronen?«
    Das runde Gesicht der Frau erinnerte Ella an das Porzellangesicht einer alten Puppe, so war es auch geschminkt, leichtes Rouge und blauer Lidschatten. Jetzt lag ein fragender Ausdruck darin.
    »Ja, ich habe gestern die Servierplatte mit dem Blumenmuster gekauft, die kostete auch eintausenddreihundert Kronen.«
    »Ach, Sie waren das?« Jetzt sah die Frau nur noch neugierig aus.
    »Ja, ich.«
    Sie drehte sich schnell zum Fenster hin. »Die war ja auch viel zu billig hergegeben. Mein Mann hat leider nicht viel Ahnung.«
    Ella nickte. »Das hat er auch gar nicht behauptet …«
    »Und war mein Vater auch da?«
    »Ja, aber er wollte sich nicht einmischen, glaube ich.«
    Die Frau stöhnte kurz, dann sah sie Ella direkt in die Augen.
    »Ich bin Linda Hölgerson«, sagte sie kurz. »Malin hat heute Morgen die Servierplatte zurückgebracht. Sie sagt, Sie hätten bei ihrer Schwester ein ganzes Blumengemälde danach bestellt?«
    »Ja, das habe ich«, bestätigte Ella. »Ich wundere mich nur, wie Inger das Gemälde ohne Vorlage malen will …«
    »Sie hat die Servierplatte abfotografiert, das macht sie manchmal.«
    Ella dachte an Margareta. Sie hatte behauptet, nie von Inger porträtiert worden zu sein. Vielleicht war das Gemälde ja wirklich so entstanden? Auf dem Marktplatz beim Singen abfotografiert, mit einem Teleobjektiv aufgenommen? Dann

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