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Liebesnöter

Liebesnöter

Titel: Liebesnöter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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ist es ja hoffentlich ein guter. Außerdem lockerte Rotwein sicher die Zunge.
    Sie staunte über sich selbst, wie traumwandlerisch sicher sie den Weg fand. Zwei Stationen mit der U-Bahn, dann in den Zug, und bei dem markanten Bahnwärterhäuschen stieg sie über eine Stunde später wieder aus, die Hauptstraße entlang zur Fähre, und schließlich kam sie sich wie ein alter Hase vor, als der Kapitän sie begrüßte. Er trug denselben Pullover wie am Vortag und hatte gerade angelegt, als Ella kam.
    »Hat es Ihnen so gut gefallen?«, wollte er freundlich wissen, während er Kautabak zwischen seinen Wangen hin und her schob. Ella beschloss, die Situation auszunutzen. »Ich war tatsächlich bei Inger Larsson«, verkündete sie.
    »Aha.« Der Mann schaute sie an und schwieg.
    »Der Malerin«, setzte Ella nach.
    »Ich weiß, wer Inger Larsson ist.«
    »Dachte ich mir.«
    Er schwieg, und ihr Blick folgte seinem. Er schaute in den Himmel. »Es wird Regen geben.«
    Das war Ella egal. Sie hatte vorgesorgt, in der Zwischenzeit kannte sie sich aus.
    »Wollen Sie?« Er hielt ihr den Vorhang zur Passagierkabine im Schiffsrumpf auf.
    »Was ist mit Inger Larsson?« Jetzt setze ich alles auf eine Karte, dachte Ella. Jetzt oder nie.
    »Was soll mit ihr sein?« Er kratzte sich durch seine Wollmütze am Kopf und schaute die Straße hinunter. Wahrscheinlich wäre es ihm lieber, wenn jetzt noch ein paar Fahrgäste kämen, dachte Ella, dann muss er nicht mit mir reden.
    »Sie ist doch eine berühmte Malerin.«
    »Ist sie das?«
    »Natürlich. Gerade hat sie eine Ausstellung in Frankfurt.«
    »Ah, deshalb.«
    Jetzt schien er etwas aufzutauen.
    »Wie, deshalb?«
    Er schien beschlossen zu haben, dass niemand mehr kommen würde, löste die Leinen vom Steg, stieß sein Schiff ab und ging die wenigen Schritte nach vorn ins Steuerhäuschen.
    Ella lief ihm hinterher.
    »Was meinen Sie mit ah, deshalb ?«
    Er wendete und ließ sein Boot gemächlich in Richtung der vielen kleinen Inseln tuckern.
    »Deshalb war heute Morgen schon ein Herr hier und hat nach ihr gefragt.«
    »Ein Herr?«
    Er nickte. Ella glaubte nicht recht zu hören. »Und was genau hat er gewollt, der Herr?«
    »Er wollte wissen, wo sie wohnt.«
    »Und haben Sie es ihm gesagt?«
    »Weiß ich, was er will? Wenn er ein Bild kaufen will, kann er das über Malin tun, sie organisiert das alles. Weiß ich, was so ein Mann will?«
    Ella verbiss sich ein Grinsen. »Dann haben Sie es ihm nicht gesagt?«
    »Nein.«
    »Aber gefragt, warum er es wissen will?«
    »Nein.«
    »Nein?« Das wäre ihr nicht passiert. »Wie sah er denn aus?«
    »Was habt ihr bloß plötzlich alle mit Inger Larsson?«
    »Wieso alle?«
    »Ja, Sie sind doch auch da.«
    Stimmt, dachte Ella, dann wären wir schon zwei.
    Inger öffnete ihr die Tür. Ihre samtblauen Augen glänzten, und ihr voller Mund hatte sich zu einem fröhlichen Begrüßungslächeln geöffnet.
    »Sie machen mir richtig Freude«, sagte sie, kaum dass sie Ella die Hand zur Begrüßung gereicht hatte.
    »Ich mache Ihnen Freude?«
    Ella war erstaunt, freute sich aber über die unbeschwerte Stimmung.
    »Ja, die Vögel inspirieren mich, und die ganze Arbeit mit ihnen und den Blüten und Girlanden macht mir Spaß!« Inger trat zur Seite. »Kommen Sie herein!«
    Ella folgte ihr durch die Küche direkt ins Atelier. Tatsächlich, dort auf der Staffelei prangten auf einer großen Leinwand blaue Girlanden, bunte Früchte und Blüten, und die Ansätze eine Vogels waren auch schon zu erkennen.
    »Vielleicht entdecke ich ein ganz neues Talent in mir«, sagte sie lachend und zeigte auf Ellas Rotweinflasche, die sie eben aus der Tüte gezogen hatte. »Wollen wir die aufmachen, und Sie erzählen mir etwas über Ihr Leben?«
    »Über mein Leben?«
    »Ja, über Ihr Leben.«
    Ella war verunsichert. Was konnte Inger von ihr wollen?
    »Wollten Sie nicht ein Portrait von sich?«
    Ella nickte.
    »Dann müssen wir eine Flasche Wein miteinander trinken, und Sie erzählen mir etwas aus Ihrem Leben. Von Ihrem jetzigen Leben, von Ihrem vergangenen Leben, Ihrer Jugendzeit, Ihren Ängsten, Ihren Nöten, Ihren Freuden, ihren Hoffnungen.«
    Ella schluckte. »Ist das nicht ein bisschen viel auf einmal?«
    »Das Leben ist so.« Ingers Blick ging Ella unter die Haut. »Entweder bringt es alles oder nichts.«
    Ella rührte sich nicht.
    »Wer war beispielsweise Ihre erste große Liebe?«
    »Meine erste große Liebe?«
    Noch immer standen sie im Atelier, und Ella hielt die Flasche in der Hand.

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