Liebesperlenspiel
Hochzeitsfoto noch irgendetwas anderes. Er trägt auch keinen Ehering. Nichts lässt darauf schließen, dass es jemals eine große Liebe in seinem Leben gegeben hat. Wie tief muss ihn dieser Verlust getroffen haben, dass er alles verbannt hat, was ihn daran erinnert. Ich kann es nicht verstehen und doch tut es mir weh, obwohl es mich gar nichts angeht.
»Wie geht es deinen Eltern?«, frage ich, um meine Gedanken eine andere Richtung zu geben.
»Gut, sie leben mittlerweile auf einem Bauernhof in der Nähe von Hamburg. Mein Vater hat seinen Job als Anwalt an den Nagel gehängt und ist nun Landwirt.«
Er lächelt verstohlen.
»Was ist daran so witzig?«
»Nun«, meint er, steht auf und setzt sich nahe zu mir auf die Couch, die mit weichen Kissen angehäuft ist, »das wäre nicht s für mich. Landwirt ist etwas, wozu man berufen sein muss. Ich hingegen liebe meinen Job.«
»Ja, das kann man leicht sagen, wenn man der Chef ist«, lache ich.
»Das solltest du nicht tun, Hanna.«
»Was?«
»Du solltest mich nicht als deinen Chef betrachten, wir arbeiten in Zukunft zusammen, da sind wir gleichwertige Partner.«
Ob das so einfach für mich werden wir d, muss sich noch herausstellen. »Aber das bist du nun mal, Paul. Wir können die Fakten doch nicht verdrängen.« Er ist mir so nah, dass ich seine Wärme spüre und ich bekomme in seiner Gegenwart kaum Luft. Kurzatmig schnappe ich danach und sehe vermutlich wie ein Fisch auf dem Trockenen aus.
»Was hast du die ganzen Jahre so getrieben?«, fragt er und zieht dabei mit seinem Zeigefinger eine Spur über meinen Oberarm. Sein Finger fühlt sich warm und angenehm auf meiner Haut an . Ohne es zu wollen, sinke ich tiefer in die Kissen und damit auch näher zu Paul.
»Ich habe vor sechs Jahren angefangen zu studieren. Grafik, dazu Medien- und Kommunikationswissenschaften. Vor zwei Jahren wurde mir diese Stelle angeboten, weil ich bei Tim ein Praktikum absolviert habe und ihm meine Arbeit gefallen hat.«
»Was hast du denn direkt nach dem Abi gemacht?«
Mir wird heiß. »Ich habe … ähm … ein bisschen so rumgehangen … ich wusste nicht wirklich, was ich mit meinem Leben anfangen sollte«, stammele ich mich von einer Lüge zur nächsten.
Paul nickt wissend. »Und gefällt es dir , für uns zu arbeiten?«
»Ja, Tim ist ein toller Chef und seine Frau ist so was wie meine Ersatzmutter geworden.«
»Was ist mit deiner Mutter?«, fragt er und scheint überrascht zu sein.
»Meine Mutter ist vor zwei Jahren gestorben. Sie war lange krank. Krebs. Weiß t du, sie hat sehr gelitten, manchmal ist der Tod auch eine Erlösung.« Es fällt mir nicht so leicht darüber zu reden, aber ich kann es, und wenn ich an meine lebensbejahende Mutter denke, muss ich immer lächeln.
Paul schaut mich gespannt an. »Was ist mit deinem Vater?«
Ich hebe die Schultern. »Ich bin allein bei meiner Mutter aufgewachsen, ich weiß nichts über meinen Vater und will auch nichts von ihm wissen. Er ist nicht wichtig für mich. Väter werden in meinen Augen überbewertet.«
»Ich habe Respekt vor dir, wie du das alles so gemeistert hast, du kannst wirklich stolz auf dich sein.«
»Du hast doch auch viel erreicht.« Ich lehne mich vor, um von meinem Wein zu trinken. Er schmeckt wirklich gut, sein leichtes Bouquet steigt mir nicht gleich zu Kopf. Der Abend ist warm, wir haben Anfang Mai und die Sterne leuchten hell am Himmel, der Halbmond spendet viel Licht, sodass Pauls Gesicht gut zu erkennen ist und jede seiner Regungen.
»Außer einem ausgezeichneten Studiumabschluss habe ich nicht viel mehr erreicht, als der Schwiegersohn von Michael Brakeman zu werden«, sagt er und es klingt, als wäre er ein wenig enttäuscht von sich selbst, was ich nicht ganz nachvollziehen kann.
»Ich glaube, dass du für die Firma wesentlich mehr bist. Wer ist eigentlich dieser Louis?«
»Louis hat sich schon vor Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen. Ihn gibt es praktisch nur noch auf dem Papier und Michael will sich auch bald zur Ruhe setzen, damit würde die Leitung an mir hängen bleiben.«
Ein Unausgesprochenes aber bleibt in der Luft stehen.
» ... und du bist dir nicht sicher, ob du das möchtest?«, frage ich ihn daher und Paul schaut mir offen ins Gesicht.
»Würdest du es wollen?«, fragt er mich und ich weiß im Augenblick nicht genau, was ich sagen soll.
»Hm, muss t du ihm die Firma abkaufen?«
»Nur zu einem geringen Teil, er hat mir bereits die Hälfte der Firma überschrieben. Ein Drittel habe
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