Liebesperlenspiel
Heimlich schaue ich zu Paul, ob er mich beobachtet, doch er tut so, als hätte er es gar nicht bemerkt.
»Du brauchst gar nicht so tun«, schimpfe ich in seine Richtung, als der dann doch laut loslachen muss. »Du brauchst gar nicht so hämisch zu grinsen, wem hingen den letztens noch die Liebesperlen im Mundwinkel?« Jetzt muss ich auch lachen.
Er nickt ergeben. »Du hast ja recht, komm her.« Er nimmt mir die Serviette aus der Hand und tupft meinen Mund und meinen Hals ab. Eine intime Geste, bei der er mir sehr nah kommt. Es gleicht einem zärtlichen Streicheln und ich glaube, die Idee mit der Suite war keine gute Idee von mir.
»Ich habe oft an dich gedacht .«
»Paul, sei mir nicht böse, aber wir haben uns so lange nicht gesehen, dass ich deinen Worten nur schwer Glauben schenken kann.«
»Ich rede von dem letzten Wochenende. Es gab keine Nacht in den vergangenen drei Tagen, in der ich nicht wach gelegen und an dich gedacht habe, und selbst wenn ich wenige Stunden geschlafen habe, träumte ich von dir.«
Ich schlucke. Er ist mir so nah, dass ich mich nur leicht vorbeugen muss, um ihn zu küssen, doch etwas hält mich zurück. »Paul, wir arbeiten zusammen und du bist immer noch mein Chef, ob du das nun einsehen willst oder nicht. Auf mehr als die Arbeit sollten wir uns nicht einlassen.«
Sekunden schaut er mich an, dann meint er wütend: »Verdammt, muss ich dich erst entlassen, damit ich dich küssen darf?«
»Ja, nein ... ich weiß auch nicht genau, oh mein Gott, Paul, du bringst mich vollkommen durcheinander. Wie soll das funktionieren?«
»Wie soll was funktionieren, Hanna? Ich kann dir nur sagen – ich weiß es nicht. Ich habe keinen Plan. Ich weiß aber, dass ich seit Jahren tot bin, ich bin mit Joyce gestorben. Doch seit dem Tag, an dem du wieder in mein Leben getreten bist, fühle ich mich lebendig. Ich kann dir nicht sagen, was es ist, nur dass ich mehr davon will. Ich will mehr von dir.«
»Wie viel mehr?« , frage ich ein wenig ängstlich.
»Alles.«
Hundert Fragen schießen mir durch den Kopf, doch ich starre Paul nur an.
»Was denkst du?«, fragt er mich, und streicht zärtlich über meinen Handrücken.
»Ich habe Fragen, viele Fragen, bei denen ich nicht sicher bin, ob du sie mir beantworten möchtest.«
»Stell deine Fragen und ich werde sie beantworten.«
Skeptisch blicke ich ihn an. Eigentlich gehen mich diese Dinge nichts an und ich bin mir nicht sicher, welche Frage ich zuerst stellen soll.
»Wie ist deine Frau gestorben?« Schon allein diese verlangt mir alles ab. Ich dringe hier in Bereiche vor, die mir nicht behagen, und die ich lieber unausgesprochen belassen würde, doch sollte sich meine Beziehung zu Paul weiterentwickeln, brauche ich Klarheit.
»Joyce litt an einer bipolaren Störung, sie war manisch depressiv. Obwohl es mir bekannt war, habe ich sie geheiratet, weil ich sie geliebt habe. Doch nachdem sie ihrem Leben ein Ende gesetzt hat, gab es Gerüchte, ich hätte sie nur wegen ihres Geldes geheiratet. Damit muss ich leben. Michael hat keine weiteren Kinder und er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich einmal sein Erbe antreten werde. Er hat mich unterstützt, so gut er nur konnte, doch wir beide haben Joyce nicht helfen können.«
Sein Leiden steht ihm ins Gesicht geschrieben und ich würde ihm gerne seine Last abnehmen, doch ich weiß nicht wie. Sein Blick ruht auf mir und langsam hellt er sich merklich auf.
»Ich habe beschlossen, ein neues Leben anzufangen. Das würde ich gerne mit dir zusammen, Hanna.«
Plötzliche Panik nimmt von mir Besitz. »Paul, ich glaube, du siehst das hier falsch. Nur weil ich fünfundzwanzig Kilo abgenommen habe, bin ich kein neuer Mensch. Ich bin die gleiche Hanna, die du vor zehn Jahren verlassen hast.«
»Das wirst du mir nie verzeihen, oder? «, fragt er unglücklich. »Ich habe dich schwer gekränkt und ich wünschte mir, ich könnte es ungeschehen machen, doch ich kann es nicht zurücknehmen, wirst du mir jemals verzeihen können?« Sein Gesicht sieht gequält aus und ich möchte ihm nicht noch mehr Kummer bereiten, als er ohnehin schon erlitten hat. Doch auch für mich ist das alles nicht so einfach zu verarbeiten, denn Paul hat recht, es hat mich damals tief getroffen, dass er mich für sein Studium verließ und nicht einmal fragte, ob ich ihn vielleicht begleiten wollte. Ich wäre ihm damals bis ans Ende der Welt gefolgt. Doch jetzt hier, so dicht neben mir, konnte ich ihm auf einmal nicht mehr böse sein.
»Egal,
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