Liebeswut (Junge Liebe) (German Edition)
Neal Anderson. Der liegt doch hier, oder?“
Den beiden Schwestern verschlug es die Sprache. Sie starrten Dirk
an, bis wenigstens eine von ihnen Worte fassen konnte.
„Äh, ja, er liegt gleich hier gegenüber.“
Dirk lächelte erfreut. „Vielen Dank!“ Er verschwand in dem
besagten Zimmer.
„Das war er!“, schoss es aus der einen Schwester heraus. „Wow.
Was für ein Kerl.“
„Na, mir blieb fast das Herz stehen“, sagte die andere. „Hast du
diese Augen gesehen? So blau ... und eiskalt. Dem darf man
bestimmt nicht blöd kommen.“
„Was machst du bloß für Sachen?“ Dirk schüttelte den Kopf, als
wäre er böse mit Neal.
„Mir ging es gar nicht so gut gestern, als du gegangen bist. Ich
hatte hohes Fieber, und fantasiert soll ich haben, hat mein Dad
gesagt.“
„Was hab’ ich denn damit zu tun?“
Neal erschrak bei dem lauten Tonfall seines Freundes.
„Ich sag’ doch nicht, dass es deine Schuld war. Ich bekam nur
kaum Luft, nachdem du weg warst.“
Er konnte sich nicht mehr genau erinnern. Er wusste nur noch,
dass Dirk von ihm Sachen abverlangt hatte, die er lieber hätte sein
lassen sollen. Er sollte sich doch schonen ...
„Sind die denn wenigstens nett zu dir?“, fragte Dirk, um das
Thema zu wechseln. Sein Freund zuckte mit den Schultern.
„Infusionen und Medikamente bekomme ich. Davon ist das Fieber
schon runter. Doch die Schwestern ...“ Er verdrehte die Augen.
„Was ist denn mit denen?“ Dirk wurde sofort neugierig.
„Die glotzen immer so blöd.“
„Wirklich?“
Neal nickte. Doch sogleich schlich sich ein Lächeln auf sein
Gesicht.
„Aber ich habe mit denen schon Klartext geredet. Die wissen, dass
ich schwul bin. Von denen macht mich keine mehr an.“
Augenblicklich wurde es still im Raum. Dirk nahm Neals Hand.
„Was hast du gemacht?“
„Ich habe erzählt, dass ich einen Freund habe und schwul bin“,
erklärte Neal nochmals.
Dirk fand keine Worte. Erstaunt sah er in Neals Augen.
„Heißt das, du interessierst dich nur noch für Männer?“
„Für dich!“, korrigierte Neal. „Ich interessiere mich nur noch für
dich.“
Dirks Gesicht begann zu leuchten. Stürmisch nahm er seinen
Freund in die Arme.
„Das ist wunderbar ... Du glaubst gar nicht, wie glücklich du mich
damit machst.“
Neal stand vor dem Spiegel. Der blaue Fleck an seiner Stirn war
fast verschwunden, und seine aufgeplatzte Wunde an der Lippe
war gut verheilt. Es sei Herpes, hatte er seinen Eltern
weisgemacht. Zum Glück hatten sie nicht weiter gefragt.
Es klopfte an der Tür. Sofort schlüpfte er wieder ins Bett.
„Ja, bitte?“
Die Tür ging auf und eine Schwester sah hinein. „Besuch für Sie!“
Neal nickte. „Kann gerne kommen.“
„Es sind sehr viele“, sagte die Schwester jedoch. „Sollen sie in
kleinen Gruppen hereintreten oder alle zusammen?“
Neal richtete sich etwas auf. Vor der Tür erblickte er Richard, der
schon neugierig ins Zimmer schielte und winkte. Neal grinste.
„Lassen Sie alle rein!“
Kurz darauf füllte sich das Zimmer mit all seinen
Klassenkameraden – fast allen.
„Wir sind fast vollzählig“, berichtete Richard. „Bis auf unsere
Streber, die für Mathe morgen üben – und Dennis.“ Er verzog das
Gesicht und fuhr dann fort: „Als wir hörten, dass du in der Klinik
bist, wollten wir dich sofort besuchen.“
Neal war sichtlich gerührt, als seine Mitschüler ihm Süßigkeiten
überreichten. Als Krönung schenkten sie ihm noch die neue CD
von David Bowie.
„Hoffe, die hast du noch nicht?“ Carola zwinkerte ihm zu.
Neal schüttelte den Kopf. „Danke, das ist unheimlich lieb von
euch.“
Die Schüler blieben eine ganze Weile, und immer wieder
erwähnten sie, wie sehr sie Neal in der Schule vermissten.
Schließlich sah eine Schwester herein und bat die
Klassenkameraden zu gehen, damit Neal nicht zuviel Aufregung
erführe. Sie verabschiedeten sich. Das Zimmer wurde wieder leer
– bis auf Cecile. Sie blieb an Neals Bett sitzen und sah ihn traurig
an.
„Es tut mir leid, dass du so krank bist“, sagte sie leise.
„Ach, Unkraut vergeht nicht“, scherzte Neal, aber Cecile blieb
ernst.
„Na ja, so eine Lungenentzündung kommt doch nicht von
ungefähr?“
Neal senkte verlegen den Kopf. „War wohl letzte Woche zu lange
im Schnee ... War nicht warm genug angezogen.“
Sie nickte. „Du siehst sehr mitgenommen aus. Es muss dir
schlecht gegangen sein, die letzten Tage.“
„Es ging.“ Neal klang bedrückt. „Lass uns über etwas
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