Liebhaberstück Xenia (German Edition)
sein Handgelenk und überprüfte seinen Puls: stark, regelmäßig, ruhig. Dadurch ein bisschen erleichtert schob ich mir einen der beiden Stühle heran, die neben einem dieser typischen, faden, kleinen Krankenzimmertischchen standen.
Ich setzte mich und griff Thorstens Hand, die ungewohnt schlaff und ungewohnt kühl war, und wartete, betete und liebte.
Bevor ich damit fertig war, kam eine Krankenschwester herein, wahrscheinlich um mich hinaus zu schmeißen, verblüffte mich aber damit, dass sie sich den zweiten Stuhl schnappte, sich mir gegenüber neben Thorstens Bett setzte, seine andere Hand nahm und atemlos fragte: „Wie geht es ihm?“
Erst jetzt erkannte ich sie. Wie hieß sie doch noch gleich? Karla irgendwas . Blond, Thorstens Ex-Affäre, die er ab und zu auch jetzt vernaschte – wenn ich gerade keine andere habe – die ganz prima damit klar kam. Und die immer ein bisschen billig aussah. So billig, dass es schon etwas Rührendes hatte.
He ute war tatsächlich Blondinentag.
„Die OP ist anscheinend ganz gut verlaufen“, antwortete ich.
Hör bar atmete sie auf.
Dann verfielen wir beide in Sch weigen und starrten Thorsten an. Schon bald kam mir das absolut lächerlich vor, wie wir da saßen, spiegelbildlich, wir Ehemalige von Dr. Thorsten Hartmann. Zugegeben, sie war weniger ehemalig als ich. Aber sie bezahlte auch den Preis, den ich nicht zu zahlen bereit war.
An ihren verzweifelten Augen konnte ich sehen, dass die ihn liebte. Und was dieser Preis sie k ostete.
Erneut öffnete sich die Tür , und die resolute Krankenschwester trat ein, die mich nicht in den OP gelassen hatte. Sie war um die fünfzig, nicht blond, sondern tief brünett und besaß trotz ihrer Zierlichkeit eine natürliche Autorität, die sich aus einer Aura solider Kompetenz rekrutierte. „Karla! Hier bist du also! Wallner ruft schon nach dir. Los, beweg dich!“
Die Kunstblonde sprang mit emsigem Schuldbewusstsein auf und verschwand.
„Und Sie“, ihre Augenbrauen zogen sich zusammen, „müssen jetzt auch gehen. Sie können ja morgen wiederkommen, wenn er aufgewacht ist.“
Ich spürte eine Bewegung in meiner Hand, Thorstens Fi nger. Seine Augenlider flackerten, öffneten sich widerstrebend, kniffen sich zusammen und gingen wieder auf. „Hallo, Kleines, was… machst du denn hier?“ Seine Stimme war leise und schleppend.
Die Krankenschwester eilte herbei. „Thorsten, wie geht es dir?“
„Beschissen“, hauchte er matt. „Wenn du… einen Notfall hast, vergiss es! Hol Rüdiger… oder zur Not Wallner! Ich bin zu…verdammt groggy zum Operieren.“
„Du bist angeschossen worde n“, informierte sie ihn. „Komm erst mal richtig zu dir!“
„ Ach ja“, ächzte er wie jemand, der an etwas Unangenehmes erinnert wurde, das ihm momentan entfallen war. Er sah mich an. „Schön, dass du da bist!“ Seine Augen fielen zu, mühevoll zwang er sie wieder auf. „Und jetzt verpiss dich, Kleines!“
„Was ?“, hauchte ich.
„Ich fühle mich schwach.“ So klang er auch. „Nenn mich einen Macho, aber ich will nicht…, dass du mich so siehst.“
Lächelnd schüttelte ich den Kopf, unendlich froh, ihn sprechen zu hören. „Du bist wirklich ein verdammter Macho, Hartmann!“
„Rosie“, schnaufte er. „Sorg dafür, dass sie geht!“
„Na schön, ich gehe.“ Ich stand auf. „Bist du wirklich okay, Thorsten?“
„Es ist nur ein Kratzer, Baby! Wie sehr… habe ich mir g ewünscht, das mal… zu einer Frau zu sagen, wie die… coolen Typen im Film.“ Leicht drückte er meine Hand. „Komm morgen wieder!“
An diesem Morgen machte ich mich besonders zurecht.
Schwar zes Kostüm mit hautengem Rock, dunkelrotes hautenges, ausgeschnittenes Shirt, nicht zu dezentes Make-up, hohe Pumps, Goldschmuck – ja, auch den von Thorsten. Ich sah so sexy aus, wie ich es nur konnte, und nur aus einem einzigen Grund.
Denn he ute würde ich Thorsten das letzte Mal in meinem Leben treffen. Diesen Schmerz gestern, als ich ihn mit dieser flotten Frau im roten Spaghettiträgerkleid gesehen hatte, wollte ich nie wieder erleben. Ich musste mich nur noch vergewissern, dass es ihm gut ging, und ihn dann aus meinem Leben streichen.
Die Le ute von der Polizei waren auch schon bei der Arbeit und vermaßen mit roten Lichtstrahlen die Schussrichtung der Kugel, die in den Türrahmen eingedrungen war. Der eine pfiff mir hinterher, als ich an ihnen vorbeiging.
Gut!
Heute nahm ich die öffentlichen Verkehrsmittel. Das erforderte zwar einen
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