Liebhaberstück Xenia (German Edition)
zehnminütigen Fußmarsch von der U-Bahnstation bis zum Krankenhaus, aber ich war ja nicht in Zeitdruck.
„Wollen Sie zu Dr. Hartmann ?“, fing mich die resolute Krankenschwester ab. Diesmal trug sie ein Namensschild, auf dem „Schwester Rosemarie“ stand. Vielleicht war es mir gestern nur nicht aufgefallen.
Vorsichtig nickte ich. „Geht es ihm gut?“
„Das schon. Er hat seit gestern geschlafen und ist soeben aufgewacht. Wenn Sie da jetzt reingehen, tun Sie es auf eigene Gefahr. Ich weiß, wie er ist, wenn man ihn wegen eines Notfalls aus dem Schlaf holt. Aber seine Laune heute ist echt der Abschuss.“ Sie schnaubte. „Er hat auch schon nach Ihnen gefragt.“
„Nach mir?“
„Sie sind doch Xenia, oder nicht?“
„Ja.“
„Aber sein Ton dabei war nicht gerade freundlich. An Ihrer Stelle würde ich später wiederkommen.“
„Ich komme schon klar damit! We lches Zimmer hat er? Dasselbe wie gestern?“
„Nein, Nummer 12, zweite Tür links.“ Sie deutete schräg hinter sich. „Auf eigene Gefahr!“
Ich lächelte sie selbstbewusst an, ging an ihr vorbei , wappnete mich innerlich gegen Hartmanns Morgenmuffeligkeit und betrat das Zimmer.
Thorsten saß in halb aufgerichteter Stellung im Bett. Ein Infusionsschlauch hing an seinem Arm und mündete in eine Flasche Kochsalzlösung, in der sich fröhlich das Sonnenlicht brach. Erleichtert sah ich, dass er zwar bleich um die Lippen war, aber ansonsten wohlauf wirkte.
„G uten Morgen!“ Ich zog die Tür zu und näherte mich ihm mit einem strahlenden Lächeln, denn wenn ich ihn in ein paar Minuten endgültig verlassen würde, sollte das sein letzter Eindruck von mir sein. „Wie geht es dir?“
„Du kommst mir gerade recht !“, knurrte er. „Ich bin stinksauer auf dich. Setz dich!“ Er klopfte gebieterisch neben sich auf das Bett.
„Nein, danke, ich stehe lieber. Und was, abgesehen von deiner Morgenmuffellaune, hat deinen Unmut e rregt, wenn ich fragen darf?“
„Mit Laune hat das gar nichts zu tun !“, schnappte er.
„Nein, natürlich nicht.“ Amüsiert blickte ich auf ihn herab.
„ Es ist dieser blöde Fantasy-Scheiß, mit dem du mich verhext hast!“ Sein Zorn brachte hitzige rote Flecken auf seine Wangen, was seinem Aussehen etwas Gesundes verlieh.
„Wie bitte?“
„Spiel nicht die Begriffsstutzige! Diesen Hokuspokus meine ich, den du auf meinem Geburtstag abgezogen hast!“
Mein Lächeln war souverän, wie es sich gehörte. Ich würde mir meinen Abgang aus seinem Leben nicht dadurch ve rderben lassen, dass ich mich von seiner Gereiztheit anstecken ließ! „Das Geburtstagsritual? Was ist damit?“
Wie kam er jetzt bloß darauf? Gab es nichts Wichtigeres, über das er sich Gedanken machen sollte, nachdem man ihn fast e rschossen hätte?
Anscheinend nicht, denn er brummte weiter: „Du hast mich mit diesem Hokuspokus auf eine subtile psychologische Weise schädlich beeinflusst, du manipulative Hexe!“
„ Hokuspokus? Das ist kein Hokuspokus. Die Idee hinter einem solchen Ritual ist die moderne energetische Physik, nach der die Realität aus Energiefrequenzen besteht.“
Angestrengt suchte ich nach einer prägnanten Kurzform, die ich ihm als Erklärung präsentieren konnte. „ Gedanken sind Energie. Doch um diese Energiefrequenzen und damit die Realität zu beeinflussen, reichen normale Gedanken nicht aus, da braucht man die Macht des Unterbewusstseins. Mit dem Unterbewusstsein kannst du aber nur durch Bilder kommunizieren, Worte kann es nicht verstehen. Und für einen Unerfahrenen wie dich sind die vier Elemente, die ich in deinem Geburtstagsritual anrief, gute und einfache Bilder, um dein Unterbewusstsein zu erreichen. Also kein Hokuspokus.“
„Ich hoffe“, s chnaubte er, „dass es daran liegt, dass das Narkosemittel noch mein Hirn benebelt, aber ich kann dir nicht ganz folgen.“
„Wenn du willst, erkläre ich es dir mit Hilfe der Quantenphysik. Das ist ein ähnlicher Ansatz, der zu dem gleichen Ergebnis kommt.“
„Nein, das will ich ganz sicher nicht! Das Einzige, was ich aus deiner konfusen Ansage entnehmen kann, ist, dass du mit dieser Scheiße heimtückisch mein Unterbewusstsein manipuliert hast.“
Mein Lächeln leierte etwas aus. „Es war ein rein positives Ritual. Ich habe die Elemente angerufen, um dir alles zu bringen, was du brauchst, um glücklich zu sein. Was bitte, soll daran heimtückisch sein?“
„Das ist es ja gerade! Dieses gefühlsduselnde Getue um Glücklichsein und diesen ganzen
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