Liebhaberstück Xenia (German Edition)
Hartmann eine Frau geheiratet hatte, die so viel älter war als er.
Andererseits konnte man aber auch nicht sicher sein, oder? Wer verstand schon die Männer? Ich gewiss nicht.
Die andere Blonde am Tisch nebenan kam defin itiv nicht in Frage, da sie mit dem dürren Mann ihr gegenüber so intensives Psychologenkauderwelsch fachsimpelte, dass sie sicher selbst Expertin war.
Andererseits wusste ich auch nicht, welchen Beruf Car oline hatte. Vielleicht war sie ja auch vom Fach.
Dann blieben noch die anderen beiden. Eine elegante Schönheit mit filigranem Prinzessinnenlächeln und ihr genaues Gegenteil, eine sehr magere Bohnenstange, die aussah, als hätte sie sich sogar noch ihre Brüste abgehungert. So wie ich Thorsten einschätzte, hätte er sich sicher nicht für so ein verhärmtes Wesen mit der femininen Ausstrahlung eines Stacheldrahtes erwärmen können.
Andererseits: Wusste man’s? Und vielleicht hatte sie ja damals mehr Fleisch auf den mag eren Rippen gehabt.
Ich tippte auf die Schönheit mit dem Prinzessinnenlächeln.
Mit frustrierter Wehmut bewunderte ich ihre ideale Figur in dem weibchenrosa Seidenkostüm und die zartgliedrigen Gesichtszüge, die wie kostbare Ornamente ihre blauen Augen einrahmten und das güldene Haar vorteilhaft in Szene setzten.
Kein Wunder, dass Thorsten sie begehrt ha tte.
Jeder andere Mann im Raum tat es schließlich auch, wie ein kurzer Scan der anwesenden Testosteron-Fraktion zweifelsfrei ergab. Die verstohlenen Blicke, die jeder der Männer ihr früher oder später zuwarf, unterschieden sich nur durch den Grad an transportierter Lüsternheit.
Lediglich der dünne Mann am Nebentisch tauschte sich nach wie vor engagiert mit der anderen Blondine über die Fehler in der Psychoanalyse irgendeines der heutigen Referenten aus und nahm von der blonden Schönen keinerlei Notiz.
Wahrscheinlich war der schwul.
Unter Einsatz meiner Geduld und einer weiteren Tasse Kaffee wartete ich, bis alle ihr Frühstück beendet hatten. Anschließend drückte ich mich in der Hotellobby herum und beobachtete.
Wo waren eigentlich Jürgens Leute, die angeblich Car oline bewachen sollten? Waren es etwa die beiden gut gekleideten Männer, die an einer der Sitzgruppen ihre Zeitung lasen? Sie sahen so businessmäßig aus, dass ich versucht war, sie für mein Geschäft zu kontaktieren und sie zu fragen, ob sie an einem Marketingprojekt interessiert waren.
Mit einem angenehmen Aufseufzen erinnerte ich mich dann aber daran, dass ich das nicht mehr nötig hatte. Erst gestern hatte ich aus alter Gewohnheit ins Internet geschaut, meine Umsätze abgefragt und festgestellt, dass sie sich ohne mein Zutun seit dem letzten Quartal verdoppelt hatten.
Es hatte gar den Anschein, dass meine Geschäftspartner ohne meine Hilfe besser zurechtkamen als früher. War das nicht b izarr?
Jede der vier langhaarigen Blondinen schwamm im Strom der Kongressteilnehmer zum Tagungsraum, bis auf die Schönheit. Mit einem vertrauten Ehefrauenkuss verabschiedete sie sich von einem schlanken, hoch gewachsenen Mann und bewegte sich in Richtung Hotelausgang.
„Caroline“, rief ich, „Caroline Har tmann!“
Sie blieb stehen un d wandte sich misstrauisch zu mir um. „So hieß ich früher mal!“ Sogar ihre Stimme war prinzessinnenhaft. „Ich heiße Caroline Liebmann.“
Diszipliniert unterdrückte ich ein unangebrachtes Grinsen über jenen grotesken Namenswechsel. „Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen, Frau Liebmann?“
Erfreut stellte ich fest, dass sie gar nicht mehr so bil dschön wirkte, wenn sie ihren Mund gereizt zusammenkniff. „Wenn Sie von der Polizei sind“, schnappte sie, „ich habe alles gesagt!“
Rasch trat ich an sie heran. „Nein, ich bin nicht von der P olizei.“
„Was wollen Sie dann von mir? Wer sind Sie übe rhaupt?“ Sie setzte sich in Bewegung und verließ das Hotel. Feindselig klackten ihre Stöckelabsätze über den Gehsteig. Entweder erkannte sie mich tatsächlich nicht, oder sie war eine brillante Schauspielerin.
Hatte nicht Thorsten den Kommissar ermahnt, sie nicht zu u nterschätzen?
Hartnäckig schloss ich zu ihr auf. „Ich bin die Frau, die bei Ihrem Exmann war, als auf ihn geschossen wurde und auf die bereits selbst zwei Anschläge verübt worden sind.“
Nun hatte ich ihre Aufmerksamkeit. „Auf Sie ist auch g eschossen worden?“
„Nein. Man hat versucht, mich zu überfa hren.“
Ihre ebenmäßigen Augenbrauen schossen pikiert in die Höhe. „Und Sie glauben, dass ich das
Weitere Kostenlose Bücher