Liebhaberstück Xenia (German Edition)
Ovarihysterektomie. Davor hatte sie ein Darmdivertikel, das ich auch raus geschnitten habe. Dazwischen war sie in der Inneren wegen Kreislaufschwäche und auf der Dermatologie wegen allergischen Ekzemen. Vielleicht habe ich auch ein paar Sachen vergessen. Aber weil es so viele Krankheitsbilder sind, die alle nicht zusammenpassen, dachte ich, dass es auch irgendwas Psychosomatisches ist wie bei der Krebspatientin, die du mal geheilt hast, erinnerst du dich?“
„Ja.“ Seine Argumentation machte tatsächlich Sinn.
„Die Patientin kommt in einer halben Stunde in mein B üro. Ich weiß, Kleines, das ist verdammt kurzfristig, aber kannst du sofort kommen? Oder hast du schon was vor?“
„ Eigentlich hätte ich schon was vor.“ Mein Blick fiel auf die Kaltwachsstreifen, mit denen ich mir gerade die Beine enthaaren wollte.
„Kannst du das verschieben?“
„Ja, das könnte ich vielleicht.“
„ Das wäre echt schwer in Ordnung von dir! Dann kommst du jetzt gleich?“
Ich seufzte. „Ja, aber bilde dir bloß nichts ein! Es ist rein beru flich.“
„Klar. Danke, Kleines!“
Auf sein „Herein!“ hin riss ich die Tür auf und betrat f orscher als beabsichtigt sein Büro. Um ja nicht den Eindruck zu erwecken, mir würde das Herz bis zum Hals klopfen, setzte ich ein cholerisches „Guten Tag!“ in den Raum und ließ die Tür mit einem etwas zu energischen Schubs zufallen, sodass die Frau erschrocken zusammenfuhr, die auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch saß.
Ich schätzte sie auf Ende fünfzig. Ihr graues, dünnes Haar war in Höhe des Halses lieblos abgeschnitten und ging nahtlos über in eine Leibesfülle, die ihren burgunderroten Frotteebademantel ausbeulte.
Thorsten saß auf seinem Chefsessel hinter dem Schrei btisch und hatte sein strenges Herr-Doktor-Gesicht auf.
„Xenia, das ist Frau Berenz.“ Er nickte der Frau zu. „Das ist Xenia Sachs, die ich zu Ihrem Fall hinzugez ogen habe. Sie ist sehr bewandert in… Naturheilkunde.“
„Nett, dass Sie sich Zeit für mich nehmen !“, sagte die Patientin freundlich. „Aber ich weiß nicht, ob Sie mir helfen können. Ich war doch schon bei so vielen Homöopathen. Wenn Sie wüssten, welche Schmerzen ich in dem Knie habe!“ Sie blickte zu Thorsten. „Das werden wir doch operieren müssen, oder, Herr Doktor?“
Da kein freier Stuhl im Raum war, stellte ich mich vor die Patientin und setzte mich mit einer Pobacke halb auf den Schreibtisch. Das war mir sowieso lieber, denn so saß ich auf einer höheren, Respekt gebietenden Warte und hatte Thorsten aus meinem Blickfeld ausgeklammert, damit er mich nicht ablenken konnte. „Dr. Hartmann hat gesagt, Sie hätten noch andere Beschwerden, Frau Berenz.“
„Wenn Sie wüssten, was ich schon alles durchgemacht h abe, Frau Spatz…“
„Sachs“, unterbrach ich.
„Wie?“
„Ich heiße Sachs.“
„Oh, ja.“ Die Patientin wirkte leicht irritiert, fand jedoch gleich den Faden wieder: „Ich hab’s ja die ganze Zeit schon so in den Gelenken, den Knien, dem Kreuz und, ach, den Ellbogen. Und mein Kreislauf! Der macht mir vor allem in der Hitze zu schaffen. Und es war ja so heiß Ende August. Und Kopfschmerzen habe ich, das kann sich kein Mensch vorstellen!“
Während sie noch weiter über die unerträglichen Schme rzen redete und dabei theatralisch die Augen verdrehte, fiel mir die leicht gelbliche Färbung ihrer Augäpfel auf. „Wie sind Ihre Leberwerte?“, unterbrach ich ihren Redefluss.
„Ganz schlecht, Frau Spatz, ganz schlecht: Wie auch die Nierenwerte und….“
„Sachs.“
„Wie?“
„Ich heiße Sachs.“
„Ja, natürlich. Und das Blutbild wird auch von mal zu mal schlechter. Und der Blutdruck ist immer an der Grenze, immer an der Grenze, und letztes Mal war er sogar deutlich unterhalb. Und mein Darm, der ist auch eine Katastrophe, Frau Spatz, das können Sie sich gar nicht vorstellen!“
„Spatz.“
„Wie?“
„Ich heiße Spatz.“
„Oh, ja, natürlich, ich…“
„Nein !“, rief ich entsetzt. „Sachs, ich meine, ich heiße Sachs .“ Nun war ich selber schon ganz konfus!
In meinem Rücken hörte ich Torste n auflachen, woraufhin ihm Frau Berenz einen derart strafenden Blick zuwarf, dass ich mich unweigerlich zu ihm umdrehte.
„Sorry“, murmelte er, seine Erheiterung nur mühsam u nter Kontrolle bringend.
Schnaubend wandte ich mich wieder der Patienti n zu. „Wie leben Sie, Frau Berenz?“
„Wie?“
„Erzählen Sie mir von Ihren familiären Verhältnissen!“
Zwar
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