Liebhaberstück Xenia (German Edition)
blinzelte sie überrascht, gab dann aber doch Au skunft: „Ich bin Witwe. Mein Mann ist vor fünf Jahren gestorben. Die Kinder sind schon länger aus dem Haus. Sie wollten den Hof nicht übernehmen, was ich ihnen nicht verdenken kann in der heutigen Zeit. Dazu war er zu klein. Das Land habe ich verpachtet.“
„Sie hatten eine Landwirtschaft?“
„Ja, aber das Vieh haben wir schon zu Lebzeiten meines Mannes abgeschafft, weil ich es ja da schon in den Gelenken hatte. Und wegen meinem allergischen Asthma konnte ich auch gar nicht mehr in den Stall gehen. Mein Mann hat dann nur noch Ackerbau betrieben.“
„Sind Sie in der Landwirtschaft aufgewac hsen?“
„Ja, wir waren sechs Kinder. Damals waren die Familien größer als heute. Das kann sich heute ja gar keiner mehr vorstel len von den jungen Leuten.“
„Das wievielte Kind waren Sie?“
„Das zweite. Ich habe noch einen älteren Bruder und sonst nur jüngere Schwestern.“ Unruhig rutschte sie auf ihrem Stuhl herum. „Aber was hat das mit meinem Knie zu tun?“
„Als ältestes Mädchen mussten Sie sicher hart mit anpa cken.“
„Das können Sie laut sagen!“ Nun entspannte sie sich, da sie wieder in ihrem Element war. „Das können die ju ngen Leute sich gar nicht mehr vorstellen, wie das war. Meine Beschwerden fingen ja schon in meiner Schulzeit an. Ich hatte mal einen Gelenkkapselriss am Fuß, dass ich einen Gips kriegen musste, und seitdem war dauernd irgendwas anderes.“
„Was unternehmen Sie mit Ihren Freunden ?“, schwenkte ich um.
„Ach, die sind alle weggezogen. Der Kontakt ist etwas ei ngeschlafen.“
„Was machen Sie hobbymäßig?“
„Hauptsächlich lesen. Was kann man schon machen, wenn einem alles weh tut? Und ich habe schon immer gern gekocht. Und Handarbeiten mache ich noch immer sehr viel.“
„Um Ihre Gelenke zu entlasten, müssten Sie dringend a bnehmen, Frau Berenz“, versuchte ich es zunächst mit dem Naheliegenden. „Es gibt da hervorragende Stoffwechselprogramme…“
Nun unterbrach sie mich. „Das habe ich doch alles schon durch! Kaum a bgenommen, schnell wieder drauf.“
„E s gibt da kohlenhydratreduzierte…“
Sie winkte ab. „Das funktioniert bei mir nicht. Kohlenh ydratreduziert! Ich brauche mein Brot in der Früh und am Abend, sonst kriege ich Kreislaufprobleme.“
„Wenn Sie an einem moderaten Fitnessprogramm teilne hmen würden, zum Beispiel im Bereich Wassergymnastik, dann…“
„Mit meinen Schmerzen Sport? Das können Sie mir nicht zumuten, Frau Spatz! Und vom Chlorwa sser dieser Schwimmbäder bekomme ich Ausschlag.“
Resignierend schluckte ich die Frau Spatz und konzentrierte mich auf das Wesentliche, nämlich der Patientin ganz nach der Art meiner Großmutter reinen Wein einzuschenken. „Frau Berenz, um wirklich geheilt zu werden, müssen Sie raus aus Ihrer Lethargie. Ihre Gelenke und Ihr Kreislauf brauchen Gewichtsabnahme, ein leichtes Bewegungsprogramm und sinnvolle Nahrungsergänzungen bei gleichzeitigem Einschränken Ihrer Medikamente, damit Ihre Leber aufatmen kann.“
Panik begann, sich in ihrem Gesicht abzuzeichnen. „Aber wie soll das gehen? Ich habe Ihnen doch schon g esagt, dass ich schon alles versucht habe, um abzunehmen. Und für ein Bewegungsprogramm habe ich viel zu viele Schmerzen. Das können Sie sich gar nicht vorstellen, welche Schmerzen ich habe! Und meine Medikamente, die brauche ich doch!“
Ich entschied mich, noch drastisc her zu werden, stieß mich vom Schreibtisch ab und packte die Schultern der Patientin, dass sie zusammenzuckte. „Hören Sie zu, Frau Berenz! Wenn Sie wirklich gesund werden wollen, müssen Sie was tun. Tun Sie was! “
Sie fing an zu zittern. „Aber ich kann doch nichts tun! Ich kann nicht!“ Zu meiner Bestürzung fing sie an zu weinen. Kein Theater, sondern echte Tränen.
Sofort schaltete ich um. Auf einen weichen Tonfall und auf Niederlage. „Es ist schon gut, Frau Berenz! Es tut mir Leid, dass ich Sie so hart behandeln musste, aber das gehörte dazu.“
„Zu einer Therapie?“ Hoffnungsvoll schaute sie zu mir auf.
Nickend nahm ich den Druck vollständig heraus und meine Hände von ihren Schultern. „Ja, ein psychologischer Therapieversuch. Aber ich weiß jetzt, dass ich Ihnen nicht helfen kann.“
„Ja, nicht?“ Ihr Blick ruckte zu Thorsten. „Es geht doch nicht ohne Operat ion, nicht?“
„Nein“, antwortete ich stattdessen. „Es geht nicht ohne Operat ion.“ Ich ging zur Tür. „Also tschüss.“
„Moment noch
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