Liebhaberstück Xenia (German Edition)
vor der Patientin nicht zu unprofessionellen Gefühlsäußerungen hinreißen lassen wollte. Trotzig reckte ich dem Doktor mein Kinn entgegen. „Die Lungen?“
„Noch ohne Metastasen“, antwortete er. „Aber das will nichts heißen.“
Ja, das wollte nichts heißen. „Die Achsellymphknoten?“
„Vergrößert.“
Ich sah der Patientin ins vor Angst verzerrte Gesicht. „Herr Dr. Hartmann kann Ihnen aus ärztlicher Sicht nichts anderes als die Amputation empfehlen, Frau Drechselmeister.“
„ Xenia, Sie überraschen mich. Manchmal können Sie ja richtig vernünftig sein!“
Frau Drechselmeister weinte wieder. „ Aber das verstehe ich nicht! Meine Mutter ist an Krebs gestorben, und ich habe seitdem alles getan, um mich davor zu schützen. Ich bin zu jeder Vorsorgeuntersuchung gegangen, habe das Rauchen aufgegeben, nur gesund gelebt, habe jede Gesundheitssendung im Fernsehen über Krebs angeschaut, um ja erste Anzeichen zu erkennen. Ich habe alles Menschenmögliche getan!“
Da hatte ich schon ihr Problem!
Es rollte sich vor mir auf wie die Landkarte Ihrer Lebensgeschichte. Alles lag auf einmal sonnenklar vor meinem geistigen Auge. Es war genauso wie bei meiner Großtante Lisbeth.
Sofort traf es mich wieder, dieses panische Helfenwollen, das ich damals verspürt hatte. Ich war noch in der Hebammenausbildung gewesen und hatte jeden Arzt gelöchert, jeden Medizinstudenten, war sogar in medizinischen Vorlesungen an der Uni gewesen, zu denen mich die genervten Studenten mitgenommen hatten. Und hatte Tante Lisbeth doch nicht helfen können.
„Können Sie nicht so einen Hexenzauber machen wie bei Manu ?“, fragte Frau Drechselmeister hoffnungsvoll.
„Nein, das kann ich nicht. Es würde nicht ausreichen.“ Großmutter hatte gewusst, wie man ihrer Schwester Lisbeth helfen konnte, doch die beiden hatten sich nicht ausstehen können, weshalb Tante Lisbeth nicht auf Großmutter gehört hatte.
„Dann wollen Sie mir nicht helfen ?“, wimmerte die arme Frau.
„Das habe ich nicht gesagt!“ Die Chancen waren gering, aber ich musste es versuchen. Das war ich Großmutter und auch dieser Patientin schuldig. Und mir selbst.
„Dann machen Sie den Zauber?“
Lebhaft klang mir noch in den Ohren, was Großmutter Tante Lisbeth an den Kopf geworfen hatte. Zu Frau Drechselmeister sagte ich: „Nein, das würde nichts nützen. Sie müssen etwas tun, sonst werden Sie am Krebs sterben. Früher oder später. Mit oder ohne Operation. Aber was Sie tun müssen, ist so radikal, dass ich mir nicht sicher bin, ob Sie es tatsächlich tun werden.“
„Doch !“, japste sie. „Ich werde alles tun, alles, wenn ich nur meine Brust behalten darf!“
Mir fiel ein, was ich Jahre nach Tante Lisbeths Tod in dem Buch „The Secret“ von Rhonda Byrne gelesen hatte. „Als erstes , Frau Drechselmeister, müssen Sie ihr Denken um 180 Grad drehen. Sie bekommen immer im Leben, auf was Sie sich konzentrieren. Ihr Unterbewusstsein setzt alles wertneutral in die stoffliche Welt um. Gnadenlos. Wenn Sie sich auf Gesundheit konzentrieren und sich gesund fühlen , dann werden Sie gesund. Sie aber haben sich seit dem Tod Ihrer Mutter auf den Krebs konzentriert. Und deswegen haben Sie ihn.“
„Sie glauben, ich bin selber schuld?“
„Es geht hier nicht um Schuld, nur um Ursache und Wirkung. Ändern Sie Ihr Denken, dann ändern Sie sich selbst!“
„Sie meinen, ich muss mir nur meine Brüste ohne Krebs denken , dann verschwindet er von selbst?“
„Nein, eben nicht! Bei ohne Krebs materialisieren Sie schon wieder das Bild von Krebs! Das Unterbewusstsein kann das nicht unterscheiden. Sie müssen sich Ihre Brüste rein und vollkommen und wunderschön denken. Kaufen Sie sich sexy BHs, streicheln Sie ihre Brüste, bewundern Sie sie, befriedigen Sie sich dabei selbst und fühlen Sie sich perfekt!“
„Xenia, Sie überraschen mich!“ Hartmanns Grinsen trieb mir die Röte ins Gesicht. In Frau Drechselmeisters auch.
Er weiter: „Ihre Idee mit den sexy BHs und dem Streicheln und nicht zu vergessen dem Befriedigen hat was. Warum besprechen Sie und ich nicht die Einzelheiten anschließend bei einem gepflegten Essen, und in der Zwischenzeit lassen Sie mir der Patientin erklären, dass eine Operation das einzig Vernünftige ist!“
Seine geringschätzige Gönnerhaftigke it zerfranste meine Nerven. „Das einzig Vernünftige, Herr Dr. Hartmann? Wie groß ist Ihrer Erfahrung nach die Wahrscheinlichkeit, dass die Tumore nach einer Brustamputation
Weitere Kostenlose Bücher