Liebling der Götter
Kreuzkröte in Lederjacke und Designerjeans bedient wurde. Man kann mit ihm anstellen, was man will, im Grunde bleibt ein Fernsehkameramann immer derselbe.
»Meine Damen und Herren, liebes Menschengeschlecht«, fuhr Apollo fort. Wenn man erst einmal den Dreh raus hatte, war es ganz einfach. Im Prinzip mußte man sich nur vor Augen halten, daß man zwangsläufig den Faden verlor, wenn man sich bewußt machte, daß da neunzig Trillionen Menschen vor den Bildschirmen saßen und einen direkt ansahen, jedoch keine Schwierigkeiten, nicht die geringste Schwierigkeit hat, wenn man einfach nicht daran denkt. »Hier spricht der liebe Apollo. Die ganze Menschheitsgeschichte hindurch ist es mir eine angenehme Aufgabe gewesen, die Botschaften des Himmels an die Sterblichen weiterzuleiten. Nun, alles Gute muß einmal ein Ende haben. Im großen und ganzen ist die Welt doch etwas Gutes gewesen, nicht wahr? Tja, auch sie muß ein Ende haben. Nun ist mir klar, daß das für manchen von Ihnen, vielleicht auch für Sie alle, schwer werden wird, doch letzten Endes wird Ihnen allen die Befriedigung des Wissens zuteil, daß diese Maßnahme zu einem göttlichen Plan gehört, der Tausende von Jahren bis zur Erschaffung des Menschen zurückreicht.«
Apollo machte eine kurze Pause, nahm alle seine Geisteskräfte zusammen und neigte den Kopf leicht zur Seite, als hätte er sein ganzes Leben lang nichts anderes getan. Nach seinem Dafürhalten blieb Öffentlichkeitsarbeit Öffentlichkeitsarbeit, ob sie nun durch Fernsehsendungen, die Eingeweide von Opfertieren oder durch seitlich an Bussen angebrachte Plakate betrieben wurde.
»Jetzt wird sich der eine oder andere von Ihnen sagen: ›Augenblick mal, das ist aber ein starkes Stück, was?‹«, fuhr Apollo fort. »Lassen Sie mich Ihnen versichern, daß die Gemeinschaft der Götter als Ganzes für diesen Standpunkt großes Verständnis hat. Wir wissen nur zu gut, wie schwer es ist, Opfer zu bringen – beziehungsweise, in unserem Fall, ohne Opfer zu leben. Wir verstehen Sie und werden alles tun, was in unserer Macht steht, um das, was ich als Übergangszeit bezeichnen möchte, so schmerzlos wie möglich zu gestalten. Aber …«
In diesem Augenblick stieß ein großer Adler durch ein zersplitterndes Oberlicht herab und warf sich auf Dannys Stuhl, wodurch sich bei etwa neunzigtausend Zuschauern, die gerade aus der Küche mit dem Tee zurückgekehrt waren, der Eindruck einstellte, es handle sich um eine dieser Bauchrednernummern, die im Fernsehen nie ganz echt klingen.
Apollo runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern, wen er in was verwandelt hatte, und während seine Gedanken vorübergehend auf diese Weise in Anspruch genommen waren, sprach der Adler zu ihm.
Diese Behauptung schreit geradezu nach einer Einschränkung. Die Tätigkeit des Adlers bestand weniger im Sprechen als vielmehr darin, direkt aus dem eigenen Gehirn telepathische Botschaften in das von Apollo zu übertragen; und genaugenommen wurden die Mitteilungen lediglich über den Adler von einem gewaltigen zusammengesetzten Gehirn ausgestrahlt, das sich momentan in der Möglichkeitenumlaufbahn um die Gesamtvorstellung von der Erde befand. Noch komplizierter wurde das Ganze dadurch, daß es in der Nähe ein leichtes Gewitter gab und sich die zusammengesetzte telepathische Stimme einer recht beliebten Gedankenwellenfrequenz bediente, wodurch sich starkes Knistern und einige ferne Bruchstücke eines Gesprächs zwischen zwei ambitionierten CB-Funkern einstellten, die im Bereich der M 25 mit zwei Jeeps herumkurvten; trotzdem waren die Mitteilungen mehr oder weniger verständlich.
»Was, verdammt noch mal, soll denn das?« fragte(n) die Stimme(n).
»Wie bitte?«
»Komm schon, Apo, es wird Zeit, daß du Nägel mit Köpfen machst. Hast du überhaupt mitbekommen, was du da gerade gesagt hast?«
»Ich …«
»Hör zu.« Über das Gehirn des Adlers wurde das gesamte bisherige Interview abgespielt. Telepathischer Gedankenaustausch ist wirklich sehr schnell; verglichen mit zwei flink denkenden und erfahrenen Telepathen sind Worte nichts anderes als an einem Sonntag in Dundee aufgegebener Brief zweiter Klasse nach Penzance. »Hast du das wirklich sagen wollen?«
»Nein«, antwortete Apollo verblüfft. »Keineswegs.«
»Was dann?«
»Ich wollte sagen, daß die Götter im Begriff stehen, die Menschheit zu betrügen, und der einzige Ausweg für uns alle darin besteht, so schnell und ernsthaft wie möglich an sie zu glauben. Das habe ich
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