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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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geändert und flog nun in dieselbe Richtung weiter, für die sich Jason gerade entschieden hatte. Gut geschätzt, wie?
    Hundertundneunzig, hundertachtundneunzig, hundertneunundneunzig Meter, noch einen Schritt und um neunzig Grad nach rechts drehen.
    Jason öffnete die Augen und blinzelte.
    Er blickte einen hohen Berghang hinauf. An Felsen angekettet – ja, das waren wirklich Ketten –, war dort der Körper eines riesigen Mannes zu sehen, der mit dem Gesicht zur Erde lag. In der geschätzten Größe eines Schnellrestaurants hatte der Riese eine klaffende Wunde auf dem Rücken, über die sich der Adler hermachte. Auch der Adler wirkte nun größer als zuvor, sehr viel größer sogar. Sein Schnabel war blutverschmiert, und die Augen sahen wie große gelbe Glaskugeln aus. Möglicherweise wußte Jason noch immer nicht, was Angst bedeutete, aber in diesem Augenblick hätte er es sich zumindest zugetraut, Vermutungen darüber anzustellen.
    »Pünktlichkeit ist die Höflichkeit der Könige«, begrüßte ihn der Riese. »Für Helden gilt das aber anscheinend nicht. Wenn du unter dem kleinen Felsen links neben deinem Fuß nachguckst, findest du dort ein Sandwichpaket.«
    Jason stand wie angewurzelt da, doch schließlich fing er sich wieder und sah nach.
    »Und wo?« fragte er.
    »Unter dem kleinen Felsen links neben deinem …«
    »Welcher kleine Felsen?«
    »Unter dem kleinen Felsen links neben deinem … Warte mal eben.«
    Der Riese machte mit dem linken Ohr eine ausdrucksvolle Geste, und der Adler hüpfte zu ihm herüber, bis er neben besagtem Ohr stand. Dann tuschelten die beiden kurz miteinander.
    »Habe ich gesagt, zweihundert Meter nach Norden? Tut mir leid. Versuch mal, zehn Schritte weiterzugehen«, forderte ihn der Riese auf.
    Jason entwurzelte die Beine und ging los.
    »Richtig, ich bin jetzt bei dem kleinen Felsen. Da sind aber keine Sandwiches drunter.«
    »Nein?« Der Riese wackelte erneut mit dem Ohr, und der Adler hüpfte wieder nach vorn.
    »Ist der Felsen denn auch braun und fast quadratisch?« wollte der Riese wissen.
    »Ich weiß nicht recht«, antwortete Jason. »Bei Felsen läßt sich das immer nur schwer sagen. Irgendwie sehen die alle gleich aus …«
    »Geh noch mal ein kleines Stück zurück, ja?« bat ihn der Riese.
    »Ah, jetzt habe ich ihn! Ein kleiner, fast viereckiger Felsen, richtig? Und die Sandwiches sind auch da.«
    »Na prima!« seufzte der Riese erleichtert. »Vielleicht können wir nun endlich zur Sache kommen.«
    »Schieß los«, nuschelte Jason mit vollem Mund.
    »Gestatte, daß ich mich dir vorstelle«, sagte der Riese. »Mein Name ist …«
    »Hast du zufällig Senf da?«
    »Nein.«
    »Schade.«
    »Mein Name ist …«
    »Gurken?«
    Der Riese blieb eine ganze Weile stumm, und Jason entnahm daraus, daß er vermutlich auch keine Gurken hatte.
    »Mein Name …«, sagte der Riese schließlich, hielt aber gleich wieder inne, als erwarte er, erneut unterbrochen zu werden. »Mixed Pickles sind übrigens auch keine da, und mein Name ist Prometheus.«
    »Prometheus?«
    »Ja, Prometheus. Salz habe ich auch keins.«
    Jason kaute nachdenklich. »Ich glaube, ich habe schon mal was von dir gehört.«
    »Ach, wirklich? Wie du siehst, haut mich das glatt um. Also, paß auf …«
    »Mein Dad sagt, daß du nicht nur deine Klasse, sondern uns alle verraten und verkauft hast«, unterbrach ihn Jason. »Außerdem sagt er …«
    »Bestimmt hat er so etwas gesagt, und es würde mich sogar wundern, wenn dein Vater etwas anderes gesagt hätte. Und was schließt du daraus?«
    »Ich weiß nicht recht«, antwortete Jason. »Ich meine, in welcher Klasse warst du überhaupt? Also ich hab’s auf der Schule bis zur …«
    »Ich nehme an, er hat das nur bildlich gemeint. Er wollte damit lediglich ausdrücken, daß er meine Taten mißbilligt. Anhand dessen, was du hier siehst, kannst du dir ja selbst einen Reim darauf machen, wie sehr er mißbilligt, was ich getan habe.«
    »Du meinst die Ketten und den Adler und all das?«
    »Na ja, es könnte natürlich genausogut sein, daß ich mich hier nur sonne und mich die Ketten davor bewahren sollen, von einem heftigen Windstoß weggeblasen zu werden. Allerdings wäre das noch lange keine Erklärung für den Adler, habe ich recht? O ja, alles in allem betrachtet, hat dein Vater eine sehr schlechte Meinung von mir. Und ich, mein Freund«, fügte der Riese mit stolzer Stimme hinzu, »habe von ihm eine noch schlechtere Meinung. Nun, was hältst du davon?«
    »Wie meinst du

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