Liebling der Götter
das?« fragte Jason mit kauendem Mund.
»Dann laß es mich anders ausdrücken. Auf der einen Seite schuldest du als Sohn deinem Vater Respekt, Liebe und Gehorsam. Auf der anderen Seite weiß ich zufälligerweise, wo noch eine Schachtel Schokoladenkekse und eine Dose Pepsi light sind. Die Entscheidung liegt natürlich allein bei dir. Nur du kannst …«
»Wo ist das Zeugs?« unterbrach ihn Jason schnell.
»Gut versteckt«, antwortete der Riese. »Ich meine, wenn du bereit wärst, mir einen kleinen Gefallen zu tun, dann bin ich mir sicher, daß der Adler dir gern zeigt, wo …«
»Sicher, sicher«, drängte Jason, »aber beeil dich, sonst verhungere ich noch.«
Der Riese hob verdrossen den Kopf. »Nichts überstürzen, junger Mann!« ermahnte er Jason. »Zunächst einmal bedarf es schon einiger genauerer Ausführungen, selbst wenn sie dich langweilen.«
»Schon gut«, willigte Jason grimmig ein. »Beeil dich bitte trotzdem, weil ich sonst …«
»Am Anfang war das Wort«, sagte der Riese mit feierlicher Stimme.
»Was soll das heißen, du hast ihn verloren?« erkundigte sich Diana wütend.
»Genau das, was ich gesagt habe«, antwortete Apollo. »Eben war er noch da und stand hungrig in der Gegend herum, in der nächsten Minute war er weg.«
Diana schnaufte abfällig durch die Nase und wandte sich an Demeter. »Demi, sag du es mir. Wenn Apo erst einmal eine seiner Launen hat, kriegt man sowieso nichts Gescheites aus ihm heraus. Also, was geht da vor?«
Demeter zuckte die Achseln. »Apo hat völlig recht. Irgendwie hat sich der Kerl plötzlich nicht mehr blicken lassen. Er ist einfach futsch.«
Diana runzelte die Stirn und blickte zu Minerva hinüber, die sich auf einen Speerschaft stützte und aus reiner Gewohnheit wie eine Weise dreinblickte. »Aber das ist doch unmöglich!« empörte sie sich. »Helden können nicht einfach verschwinden. Vielleicht ist er in irgendein Loch gefallen oder so was.«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, meldete sich Apollo zu Wort, obwohl er offenbar von einer ganz gewissen Person für zu dämlich gehalten wurde, um zu antworten. »Deshalb habe ich sogar schon den Infrarot-Scanner eingesetzt. Nichts. Sieh doch selbst.«
Er kippte einen freischwebenden Schalter um, und die Erde sah plötzlich so aus, als würde sie in Blut gebadet.
»Zufrieden? Nichts. Er hat sich auch keinen Tarnmantel ausgeliehen und ist auch nicht in eine andere Dimension gewandert. Er hat sich nicht einmal mit einem falschen Bart und einem Regenmantel verkleidet. Er ist einfach verschwunden. Schwupp, weg war er!«
Diana preßte die Lippen zusammen. Mit ›futsch‹ hatte sie sich ja noch einigermaßen anfreunden können, aber mit ›schwupp‹? »Jetzt stell dich nicht so an, Apo. Schick doch einen Boten los.«
Apollo grinste sie an. »Das habe ich bereits getan. Ich habe Schlaf, Tod, Gedanke, Zeit und Magenverstimmung während der letzten zwanzig Minuten über den Kaukasus hin- und herfliegen lassen. Nichts – außer einem endlos langen Abrechnungszettel für die Kilometerpauschale, worüber ein ganz gewisser Jemand bestimmt nicht sehr erfreut sein wird …«
Diana ließ die Schultern hängen. »Vielleicht haben die nur nicht richtig nachgesehen«, startete sie einen letzten Versuch.
Minerva blickte sie tadelnd an. »Also gut, irgendwo muß er ja sein. Jeder ist immer irgendwo«, stellte sie richtig fest. »Hast du schon mit seinem Fahrer gesprochen, Apo?«
»George versucht genau in diesem Augenblick, eine Horde von zweiunddreißig äußerst wütenden Zentauren davon zu überzeugen, daß sein Herr und Meister schnell noch mal zurückgelaufen sei, um ein Paar geflügelte Sandalen zu holen, und jeden Augenblick von ihm zurückerwartet werde. Er versteht das Ganze genausowenig wie wir.«
Minerva biß sich verärgert auf die Oberlippe, und die Eule auf ihrer rechten Schulter verlagerte immer wieder nervös das Gewicht von einem Bein auf das andere. »Trotzdem muß er irgendwo da draußen sein, aber …«, setzte sie an.
»Hör mal, habe ich dir nicht gerade gesagt, daß er …«, unterbrach Apollo sie.
»Laß mich gefälligst zu Ende reden, ja? Aber trotz aller ausführlichen und sorgfältigen Nachforschungen …«
»Danke«, warf Apollo rasch ein.
»… ist es uns nicht gelungen herauszufinden, wo er ist«, fuhr Minerva fort. »Wir sind Götter, und vor uns kann man nichts verbergen. Es sei denn, andere Götter haben ihre Hand im Spiel.«
Es entstand eine kurze Pause.
»Ach, jetzt weiß
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