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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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werfe ich allerdings einen Braten mit rein. Das ist weniger blutig, und ich erspare mir das Kochen.«
    »Klingt einleuchtend«, bemerkte Mary.
    »Normalerweise gebe ich mich mit diesem Unsinn sowieso nicht ab. Bis heute habe ich nämlich noch nicht ein einziges Mal feststellen können, daß sich durch Opfergaben irgendwas verändert. Wozu also die ganze Mühe? Alles nur für einen Gott? Viel zuviel Aufwand.«
    »Schön. Und was machen wir als nächstes?« drängte Mary.
    »Früher oder später wird sich der Gott zeigen, und dann können wir … Oh, so ein Mist!«
    Die Flamme flackerte auf, stieg höher, knisterte und wurde hellgrün. Die Opferschale hüpfte auf der Flammenspitze hin und her und sackte langsam auf den Dreifuß herab. Plötzlich stank es nach Schwefel.
    »Was ist passiert, Betty? Haben wir was falsch gemacht?«
    »Nein, nein, das ist nur das Besetztzeichen«, beruhigte Ms. Fisichelli ihre Volontärin.
    »Heißt das etwa, wir müssen noch mal ganz von vorn anfangen?«
    Ms. Fisichelli schüttelte den Kopf. »Nicht mehr. Früher war das mal so. Heutzutage gibt es eine Art Wahlwiederholungstaste. Paß auf.«
    Die Pythia beugte sich vor und drückte auf einen hervorstehenden Löwenkopf an einem der Beine des Dreifußes. Die Flamme wurde wieder blau, und die Opferschale stieg erneut in die Höhe.
    Ms. Fisichelli zeigte auf die Flammenmitte. »Jetzt schau mal ganz genau da rein, Mary.«
    »Wo? Ich sehe nichts außer …« Plötzlich verschlug es Mary die Sprache. Genau in der Mitte der Flamme erschien ganz allmählich ein männliches Gesicht; erst nur die Augen, schließlich die Lippen, Nase und Kinn. Danach schien sich das Feuer zu den Umrissen eines Kopfes zu verformen. Zu guter Letzt kugelten sich einige Flammen am rotglühenden Hals zusammen und flackerten auf, um das dichte lockige Haar zu bilden. Als sich die Lippen öffneten und das Feuer zu sprechen begann, stockte Mary der Atem.
    »Hallo, hier spricht Apollo. Leider ist zur Zeit niemand zu Hause, der Ihren Anruf entgegennehmen kann. Aber wenn Sie so freundlich wären, eine Nachricht zu hinterlassen, rufe ich Sie so schnell wie möglich zurück. Bitte sprechen Sie klar und deutlich, sobald Sie den Signalton hören. Vielen Dank und auf Wiederhören.«
    Ms. Fisichelli blickte mißmutig drein. Plötzlich ertönte eine Trompetenfanfare in einer solch ohrenbetäubenden Lautstärke, daß Mary fast den Verstand verloren hätte.
    »Hier spricht Betty-Lou Fisichelli«, sagte die Pythia. »Ehm … Mist, ich hasse es, auf diese Dinger zu sprechen … Hör zu, wärst du bitte so freundlich, einen Boten oder Traum oder etwas Ähnliches herabzuschicken? Natürlich nur, wenn es dir paßt. Wir haben hier nämlich … Also, das ist gar nicht so einfach zu erklären … Jedenfalls sind hier einige äußerst merkwürdige Dinge passiert, und vielleicht solltest du davon erfahren. Es wäre nett, wenn du demnächst zurückrufst. Ende der Durchsage.«
    Der Feuerkopf nickte dreimal und entwickelte sich allmählich zu einem willkürlichen Flammenmuster zurück. Die Opferschale sackte langsam wieder nach unten, und das Feuer erlosch.
    »Das war mal wieder totale Zeitverschwendung«, seufzte Betty-Lou.
    »So was Umwerfendes habe ich ja noch nie gesehen«, sagte Mary genauso zu sich selbst wie zur Pythia. »Er war so …«
    »Und wenn er zurückruft, gehe ich jede Wette ein, daß ich dann gerade im Badezimmer bin oder mir die Haare wasche oder sonst was mache. Ich finde es wirklich furchtbar, wenn dieses brennende Gesicht auftaucht, während man gerade mit dem Kopf unterm Wasserhahn hängt, und es einfach nicht verschwindet.« Kopfschüttelnd begann sie damit, die heiligen Utensilien wegzuräumen.
    »Betty-Lou?«
    »Ja, meine Liebe.«
    »Was genau ist denn passiert? Ich meine, nach dem, was die Eingeweide sagen, weiß ich, daß es sich um etwas Wichtiges handeln muß.«
    »Ich bin mir nicht ganz sicher. Vielleicht haben sich die Eingeweide ja auch geirrt«, gab Ms. Fisichelli zu bedenken. »Ganz glücklich bin ich eigentlich nie damit gewesen, unter Verwendung gefrorener Hähnchen weissagen zu müssen, aber ich habe hier mit der Wohnungsgenossenschaft und den Anwohnern schon genug Scherereien und muß mich nicht auch noch in der Nachbarschaft auf Hühnerjagd machen. Aber egal. Wahrscheinlich handelt es sich sowieso nur um einen Sturm im Wasserglas.«
    »Ja, aber die …«
    »Außerdem nehme ich an, daß die Eingeweide sowieso komisch darauf reagieren, wenn man sie in einer

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