Liebling der Götter
Ehm, er ist ein … ein … na, ein Dingsbums eben.«
Der geheimnisvolle Gast blickte wütend auf und zischte: »Wer hat Ihnen das verraten?«
Dann war die Show vorbei, und es folgte ein Werbespot für ein Waschmittel. Deshalb sollten die Telepathen zu Hause nie die ganze Wahrheit erfahren; nämlich daß der geheimnisvolle Gast (dessen Name Gelos lautete) in Wirklichkeit die Personifizierung des Lachens war, der verschworene Feind des Göttergeschlechts, in seinem vorhergehenden Dasein einer der drei Urgötter. Ein weiterer Punkt, der nicht ans Tageslicht kam, war die Tatsache, daß Gelos die einzige Kraft im Universum ist, die zwischen den Göttern und der totalen Weltherrschaft steht, denn nur Lachen und ein Sinn für das Absurde ermöglichen es den menschlichen Wesen, die Götter als reines Phantasieprodukt abzutun; wohingegen Gelos über die ganze Welt herrschen wird, sobald er einen Helden findet, der mutig und stark genug ist, ihn vor den Göttern zu beschützen.
Pluto blieb stehen, holte eine kleine Plastiktüte aus der Tasche hervor, öffnete sie, und eine Socke kam zum Vorschein.
»Hier, mein Junge«, sagte er mit aufgeregter Stimme. »Such!« Dann hielt er die Socke der Reihe nach vor die drei Nasen des Hundes. Zerberus knurrte drohend, und zwei seiner Köpfe begannen damit, auf dem Boden herumzuschnüffeln. Der dritte aß die Socke und würgte sie kurz darauf wieder heraus.
»Komm schon, sei ein braver Hund«, murmelte Pluto. Der Exhöllenhund schoß plötzlich mit gesenkten Köpfen nach vorn und zog sein Herrchen durch die Gänge, die zu den Bahnsteigen der Piccadilly-Linie führten.
Häufig wird behauptet, zwei Köpfe seien besser als einer, folglich hätte Zerberus einen optimalen Spürsinn besitzen müssen. Doch nach fünf Minuten begeisterten Anbellens, Verfolgens, Schwanzwedelns und Schnappens nach den Beinen von Frauen mit Kleinkindern blieb er demonstrativ wie ein Jagdhund vor einem Mülleimer stehen und nahm energisch Platz.
Nachdem Pluto den Eimer mit bloßen Händen geleert hatte und keine Spur von dem vermißten Helden entdecken konnte, verlor er allmählich die Geduld. »Hör zu, du verdammter Köter! Es liegt mir wirklich fern, mich mit einem Miestvieh wie dir anzulegen, aber entweder packst du das ganze Zeug in den Eimer zurück und machst dich wieder an die Arbeit, oder du landest schneller beim Tierarzt, als dich deine Pfoten tragen können. Verstanden?«
Das war, wie Pluto später zugab, ein großer Fehler gewesen. Zerberus blickte ihn gleich in dreifacher Ausführung übellaunig an, knurrte gleichermaßen überzeugend und biß die Leine durch. Pluto spielte kurz mit dem Gedanken, die Nasenlöcher des Hundes mit sanfter Gewalt in die Luft zu sprengen, wie es von der Leiterin der Hundeschule gefordert worden war, besann sich dann aber eines Besseren und rannte um sein ewigwährendes Leben.
Zerberus folgte ihm aber nicht. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß sein Herrchen außer Sichtweite war, grinste er breit und trabte den Gang entlang in die entgegengesetzte Richtung davon. Nachdem er eine kurze Pause eingelegt hatte, um an einer Wand das Bein zu heben, brach die Mauer gleich darauf zu einem zischenden Kalkhaufen in sich zusammen.
Vorsichtig hob Jason Derry den linken Fuß, bewegte ihn ungefähr einen Meter nach vorn und versuchte, ihn wieder aufzusetzen.
Gleich darauf bedauerte er seinen Entschluß. Da war nichts; sein Fuß bewegte sich einfach unentwegt fort, ohne Halt zu finden. Am beunruhigendsten daran war, daß er dabei nie das Gleichgewicht verlor, und kaum übte er keinen Druck mehr auf die Beinmuskulatur aus, blieb auch der Fuß stehen. Wie er feststellte, stand er auf nichts; er stand einfach nur da, schwebte frei in der Luft oder was auch immer.
Am wichtigsten in einer solchen Lage ist, die Ruhe zu bewahren, sagte er sich. Selbst wenn die Umgebung gerade blaumacht, so zeigt sie bislang doch keinerlei Anzeichen unverhohlener Feindschaft. Mit der Zeit werde ich mich bestimmt daran gewöhnen und sogar Gefallen daran finden. Ich muß jetzt total ruhig und gelassen bleiben und einfach alles so nehmen, wie es kommt. Außerdem, wer braucht schon die Erdanziehung?
»Hilfe!« schrie Jason.
Er horchte, während das Wort, das er gerade gerufen hatte, ziellos durch die Dunkelheit purzelte, allmählich immer schwächer wurde und schließlich in ein kaum mehr hörbares Klirren unzusammenhängender Konsonanten überging. Jason atmete tief ein (natürlich gab es
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