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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Mikrowelle auftaut«, fuhr Betty-Lou fort. »Entschuldige, wenn ich dich eben unterbrochen habe. Was wolltest du sagen?«
    »Ach, ich habe nur laut nachgedacht. Ich meine, vielleicht können wir ja selbst rausfinden, was passiert ist.«
    »Ich denke, wir sollten das lieber Fachleuten überlassen, findest du nicht?«
    »Sicher«, stimmte Mary ihr zurückhaltend zu. »Aber glaubst du denn nicht, daß es sich um ein Omen handelt?«
    »Natürlich, deshalb mußte ich ihn ja informieren.«
    »Das Wesentliche an einem Omen ist doch, daß es so etwas wie eine verschlüsselte Nachricht ist.« Mary ließ nicht locker. »Das wiederum bedeutet: Derjenige, der uns das Omen gesandt hat, erwartet von uns, daß wir es verstehen. Deshalb habe ich gedacht …«
    »Schön«, unterbrach die Pythia sie mit ungewollter Ironie. »Dann sag mir doch bitte, was es bedeutet, wenn auf Apollos Kultstatue plötzlich eine rote Plastiknase materialisiert.«
    »Na ja …«
    »Oder wie es einem Furzkissen gelingen konnte, sich auf dem Thron der Prophezeiung niederzulassen.«
    »Na ja, ich dachte, vielleicht …«
    »Oder warum die Köpfe der Statue der Dreifaltigkeit plötzlich alle bunte Papphüte tragen. Ich meine, jeder Trottel weiß, was das bedeutet. Warum also den Gott bemühen, hm?«
    »Tut mir leid«, räumte Mary kleinlaut ein. »Ich wollte nur helfen.«
    Die Pythia schnalzte auf nicht allzu unfreundliche Weise mit der Zunge. »Ich weiß, meine Liebe, und das zeigt nur, wie engagiert du bist. Trotzdem schickt es sich nicht für uns, Vermutungen darüber anzustellen. Außerdem wird er früher oder später sowieso davon erfahren, zumal es sich um etwas Wichtiges handeln könnte.«
    »Vermutlich hast du recht«, stimmte Mary ihr zu. »Trotzdem könnte die Botschaft bedeuten, daß …«
    »Das beweist nur die Richtigkeit meines Standpunkts«, unterbrach die Pythia sie ungeduldig. »Ich meine, die Botschaft könnte höchst wichtig sein, es sei denn, daß mal wieder nur ein paar Kinder durch den Lüftungsschacht eingestiegen sind. Glaub mir, wir müssen solche Dinge dem Chef überlassen. So, und jetzt hilf mir mal, die letzten paar Sachen abzuwaschen, und danach gönnen wir uns erst mal selbst ein Schlückchen Wein. Schließlich haben wir uns das redlich verdient, findest du nicht?«
    Mary nickte zustimmend, und Ms. Fisichelli versuchte, die ganze Angelegenheit aus dem Kopf zu verdrängen. Doch als sie die Opferschale abtrocknete und in die heilige Truhe zurücklegte, mußte sie unwillkürlich daran denken, daß es irgendwo eine einfache Erklärung für das alles gab; vor allem wenn man die Botschaft bedachte, die heute morgen erschienen war, eingeritzt in das Felsgestein auf dem Dachsturz des Schatzhauses der Athener. Schließlich war sie ziemlich eindeutig ausgefallen.
    BESSERWISSER ALLER LÄNDER, VEREINIGT EUCH, stand dort, IHR HABT NICHTS ZU VERLIEREN AUSSER EUREN KETTEN.
     
    Vor etwa dreißigtausend Jahren, als Telepathie noch die einzig wirklich zugängliche Form der Massenunterhaltung war, gab es auf dem ersten Gehirnwellenkanal eine beliebte Unterhaltungssendung namens Lies meine Gedanken. Ein erlauchtes Rateteam mußte herausfinden, womit der jeweilige Kandidat seinen Lebensunterhalt bestritt. Wenn die Mitglieder des Rateteams mit ihrem Tip danebenlagen, wurden sie den Wildhunden zum Fraß vorgeworfen. Die Sendung bot also gute Unterhaltung für die Durchschnittsfamilie.
    Bei der uns interessierenden Show setzte sich das Rateteam aus zwei Flußgöttern, einer Waldnymphe und der Königin der Nacht zusammen. Die vier mußten die Identität einer höchst rätselhaften Person bestimmen, die einen Anzug mit schrillem Karomuster und eine rote Pappnase trug und sämtliche Fragen mit einem Lachanfall beantwortete. Das Rateteam war bereits so weit vorgestoßen, daß der geheimnisvolle Gast etwas mit der Unterhaltungsbranche zu tun haben mußte, aber dann drehte man sich im Kreis. Als sich die zur Verfügung stehende Zeit allmählich dem Ende näherte, wurde die Gehirnwellenkamera genußvoll auf die sabbernden Hundeschnauzen gerichtet.
    »Er ist Steuerfahnder«, schlug einer der Flußgötter mit sich überschlagender Stimme vor. Der Showmaster schüttelte grinsend den Kopf und machte ein paar mal »Wau, wau!«. Die Königin der Nacht stand kurz vor einem hysterischen Anfall.
    »Er ist ein …«, setzte die Waldnymphe voller Verzweiflung an. »Verdammt, mir liegt’s auf der Zunge. Wie war doch gleich der Name? Also, wie könnte man das nennen?

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