Liebling der Götter
des Dreifußes. Zur selben Zeit materialisierte Apollo unmittelbar daneben, so daß ihm gerade noch eine fliegende Scherbe gegen den Handrücken flog.
»Autsch!« fluchte er.
»Herr!«
»Betty, jetzt laß uns endlich diesen ganzen formalen Blödsinn vergessen, ja?« sagte er gereizt. »Damit eins klar ist: Ich bin absolut dazu in der Lage, hier aus eigenem Antrieb zu erscheinen. Man muß mich also nicht erst heraufbeschwören, in einen Geist verwandeln, durch ein sieben Meter langes Kupferrohr pusten und anzünden. Deshalb verlange ich von dir, mich in Zukunft nur noch dann zu benachrichtigen, wenn ich direkt darauf antworten kann, verstanden?«
Mary kicherte leise, als sie an die Oliven dachte.
Ms. Fisichelli überging diesen Ausrutscher ihrer Schülerin, falls sie ihn überhaupt mitbekommen hatte, und antwortete: »Es tut mir schrecklich leid, wenn ich dir Unannehmlichkeiten bereitet haben sollte, aber …«
Apollo seufzte schwer. Dann entfernte er eine alte Ausgabe des Journals byzantinischer Studien vom Sessel, setzte sich und sagte mit erschöpfter Stimme: »Schon gut. Könnten wir jetzt bitte zur Sache kommen?«
Ms. Fisichelli errötete und setzte sich aufs Sofa. Mary hockte sich auf ihre betörende Weise nieder und kniete nun voller Anmut auf dem Teppich. Apollo, dem dies nicht entgangen war, dachte darüber nach, daß er alt genug war, um ihr Ururururururururururururururururururururururururururururgroßvater zu sein, und konzentrierte seinen Blick auf die Pythia, die im Nu noch mehr errötete.
»Eigentlich ist es nichts Besonderes, wirklich«, stammelte Betty-Lou verlegen. »Du hast mir nur gesagt, ich solle dich sofort informieren, falls ich auf irgendwelche Ungereimtheiten stoße, die mit diesem Jungen von den Derrys zusammenhängen könnten. Außerdem sind da einige andere Geschichten passiert, und du weißt ja, daß sich gerade diejenigen Dinge häufig ins Gegenteil verkehren, die auf den ersten Blick unwichtig erscheinen …«
Die Götter können zwar furchtbar grausam, schrecklich, unlogisch und herzlos sein, manchmal haben sie aber auch eine Engelsgeduld. Apollo lächelte die Pythia beruhigend an und sagte: »Du hast bestimmt recht. Bitte erzähl mir alles.«
Ms. Fisichelli schluckte den gewaltigen Kloß hinunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte, und sagte: »Nun … ehm …«
»Ja?«
»Also, es ist folgendermaßen. Die … ehm …«
Apollo lächelte sie noch mehr an, bis Ms. Fisichelli spürte, wie sich ihre Nasenspitze kräuselte und kleine Hautschuppen davon abblätterten.
»Vielleicht solltest du es dir am besten selbst ansehen«, schlug sie schließlich vor.
Apollo runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«
Die Pythia zuckte nervös. »In der heiligen Schüssel.«
»In der heiligen Schüssel? Glaubst du, das Ding funktioniert noch?«
»Na ja, ich …«
»Das kaufe ich dir nicht ab«, fuhr Apollo fort. »Ich dachte immer, das Ding hat im fünften Jahrhundert den Geist aufgegeben, als dieser Clown Amaryllis IV. Anchovis darin geschmort hat. Hast du die Schüssel wirklich wieder in Gang setzen können?«
»Ich habe sie einmal ordentlich abgewaschen, und seitdem scheint sie wieder zu funktionieren«, murmelte Ms. Fisichelli verlegen. »Das macht dir doch hoffentlich nichts aus, oder? Manchmal ist sie eine große Hilfe und … na ja, ehrlich gesagt, habe ich sie dazu benutzt, um Baseball zu sehen. Im griechischen Fernsehen wird Baseball nie übertragen, selbst nicht per Satellit, und Chicago ist dieses Jahr ins Endspiel gekommen und …«
»Demnach funktioniert sie also wirklich wieder?« wunderte sich Apollo.
»Scheint so. Warte, ich hole sie.«
Ms. Fisichelli sprang auf und eilte in die Küche. Während ihrer Abwesenheit strengte sich Apollo verzweifelt an, keinen Blick auf die neue Schülerin der Pythia zu riskieren. ›Den Göttern ist alles möglich‹, pflegte Homer zu sagen, aber er irrte sich.
»Ehm …«, begann Apollo.
»Ja bitte?« Mary lächelte den Gott warmherzig und dennoch respektvoll an, und Apollo bekam plötzlich eine schwere Zunge.
»Ehm … bist du, na ja, hast du morgen abend schon etwas vor?«
Mary lächelte noch immer.
»Es ist nur so, daß ich zufällig für das Open-air-Konzert der Bad Vibes morgen abend im Central Park zwei Karten habe, und ich dachte, vielleicht könnten wir beide …«
»Tut mir leid. Es ist nur so, daß ich mir zufällig morgen abend die Haare wasche.«
»Ach so.«
Mary lächelte erneut.
»Dann vielleicht ein
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