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Liebling der Götter

Liebling der Götter

Titel: Liebling der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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hast. Schämen solltest du dich!«
    Plötzlich und zum erstenmal in seinem Leben tat Jason das; und es war ein entschieden unangenehmes Gefühl. Genausowenig wie sie Furcht kennen, wissen Helden, was Verlegenheit ist; wäre es anders, könnten sie ihren Job nicht anständig erledigen. Man darf von niemandem erwarten, sich in Dinge einzumischen, an die sich sonst niemand heranwagt, wenn man von seinem Gegenüber auf Normalgröße zusammengestutzt wird, nur weil man vergessen hat, sich die Schuhe abzutreten.
    »Den Hund bitte!« verlangte Pluto. Zerberus warf Jason einen dreifach traurigen Blick zu, den Jason nicht erwidern konnte. Statt dessen machte er mit dem Kopf eine angedeutete Braver-Hund-geh-zu-Herrchen-Geste und schaute betrübt beiseite.
    Der Hund biß ihn.
    Jasons erste Reaktion war, sich zu revanchieren. Obwohl Vergeltung heutzutage aus der Mode gekommen ist, ist das Sinnen nach Rache eine langerprobte und vielfach bewährte menschliche Reaktion auf bedrohliche und lästige Ereignisse; und tief im Innern hing Jason an solchen Traditionen. Deshalb hatte er bereits mit dem Fuß ausgeholt, um dem Hund einen kräftigen Tritt zu verpassen, der Zerberus auf den Rücken geworfen hätte, als ihm dämmerte, daß ihm der Hund mit dem Biß womöglich etwas zu sagen versucht hatte. Sicherlich gibt es heutzutage zivilisiertere Methoden der Datenkommunikation als einen Biß in die Wade; wenn der Empfänger allerdings etwas schwer von Begriff ist, muß man eben zu aufdringlicheren Mitteln greifen.
    Leicht verwirrt ließ Jason den Fuß wieder sinken.
    »Ich habe gesagt, du sollst mir den Hund geben«, zischte Pluto.
    »Nein«, antwortete Jason. (In Wirklichkeit sagte er: »Nein …« Aber die drei Auslassungspunkte waren nicht zu hören, wie das ›H‹ in ›Rhodos‹.)
    »Wie bitte?«
    »Nein«, wiederholte Jason. »Ich glaube nicht, daß er mit dir mitgehen will.«
    Pluto runzelte gebieterisch die Stirn. »Das tut ja wohl nichts zur Sache. Also, wenn du dich endlich bequemen würdest, mir den Hund zurückzugeben. Für ein solch kindisches Geplänkel ist mir meine Zeit zu kostbar.«
    Die letzte Bemerkung übte auf Jason eine nachhaltige Wirkung aus. »Mir auch«, sagte er. »Also zieh Leine.«
    »Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden …?«
    Jason grinste. Zum erstenmal in seinem Leben fragte er sich, ob es nicht ebensoviel Spaß machen könnte, kleine gebrechliche und wehrlose Personen zu vertrimmen wie riesige Dämonen. Wahrscheinlich nicht, doch würde er es nie erfahren, wenn er es nicht auf einen Versuch ankommen ließ. »Ich habe gesagt, zieh Leine«, knurrte er. Der Hund nickte mit allen drei Köpfen, wedelte mit dem Schwanz und schaffte es sogar, sich gleichzeitig an einem seiner Ohren zu kratzen; Hunde besitzen einen Gleichgewichtssinn, der sich sämtlichen konventionellen wissenschaftlichen Erklärungsversuchen widersetzt.
    Pluto erinnerte sich daran, daß er ein Gott war und ein risikofreudiger Opportunist dazu. Er richtete sich zu seiner vollen, gefälschten Größe auf [8] und verschränkte grimmig die Arme. »Du impertinenter Sterblicher erdreistest dich, mir …«, begann er, doch dann nahm er einen quälenden Schmerz im linken großen Zeh wahr. Er schaute nach unten, schrie »Aua!« und sprang in die Luft.
    Jason zog das Schwert aus der klaffenden Wunde, die er Pluto gerade zugefügt hatte, und lachte niederträchtig. Ein Tropfen Ichor – Götterblut – funkelte auf der Scheide. »Und jetzt verschwindest du hier, oder ich werde dir das hier in deinen Allergöttlichsten stecken!« fauchte er.
    Pluto, der sich auf relativ sichere Distanz zurückgezogen hatte, blickte ihn wutschnaubend an und rief die Legionen der Verdammten zu Hilfe. Als Gott besitzt man etliche Privilegien, und sofortiger Beistand einer großen Anzahl halbgöttlicher Schurken ist eins davon. »Nehmt diesen Sterblichen fest!« schrie Pluto auf fast melodramatische Weise. Aus den Schatten hinter ihm tauchten etwa zehn, zwölf kräftige und bis an die Zähne bewaffnete Gestalten auf und gingen mit gezogenen Gummiknüppeln auf Jason los.
    Trotz des Risikos, die ganze Wirkung des nun folgenden zu verderben und den Spannungsbogen zu unterbrechen, scheint an dieser Stelle ein klärendes Wort angebracht. Obwohl der Dienst in den göttlichen Kohorten von jeher als große Ehre angesehen wurde, hatten die Götter seit der Evakuierung des Olymps vor einem ernsthaften Rekrutierungsproblem gestanden. Traurige Tatsache ist, daß auf dem privaten

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