Liebling der Götter
war zum Beispiel völlig gegensätzlich zu der von Pluto ausgefallen, die ja kurz zuvor eingehend beschrieben wurde. Wie Ihnen nicht entgangen sein dürfte, war Pluto mit der sprechenden Riesenstatue geradezu spielend fertig geworden. Im Gegensatz zu Juno weiß Pluto allerdings, daß etwas, das so komisch aussieht, nur etwas sein kann, das sich verkleidet hat, da sprechende Riesenstatuen natürlich ein Ding der Unmöglichkeit sind.
»Ehm«, war alles, was Jason im ersten Augenblick über die Lippen kam. Merkwürdigerweise schien sich das Gespenst durch diese tiefschürfende Aussage bereits so eingeschüchtert zu fühlen, daß es sich noch mehr hinter seinem Schild zusammenkauerte und leicht zu zittern begann.
»Verlaß dich lieber nicht darauf, Sterblicher«, sagte das Gespenst.
Jason blickte die monströse Gestalt vor sich genauer an. War es wirklich möglich, daß diese anscheinend göttliche und schwerbewaffnete Person vor ihm Angst hatte?
»Worauf soll ich mich nicht verlassen?«
»Hör mal, ich erledige hier nur meine Arbeit, klar? Ich habe mich nicht darum gerissen, sondern wurde mehr oder weniger zwangsverpflichtet.«
Nach Jasons Auffassung war dies der geeignete Zeitpunkt, die notwendige Vorarbeit für ein klärendes Gespräch zu leisten. »Wer bist du?« fragte er.
»Mars.«
»Wie bitte?«
»Mars.«
Jason wurde zwar nicht entspannter, aber seine innere Aufregung legte sich etwas. »Im Ernst?«
»Wenn es um so ernste Dinge geht, lügt man nicht«, antwortete der Exkriegsgott. »Aber wenn du mir nicht glaubst – ich habe eine von diesen kleinen Ausweiskarten mit einem Foto von mir drauf dabei. Wart mal eben.«
Der Witwenmacher lehnte den Speer gegen den Türrahmen, setzte den Schild ab und kramte in der Innentasche des Brustpanzers herum, bis er einen zerknitterten Plastikumschlag entdeckte. Als er ihn öffnete, bekam Jason große Augen.
»Wahnsinn! Das gibt’s doch gar nicht!« staunte Jason beim Anblick des Ausweises.
»Wie bitte?« stutzte Mars, während er den Speer wieder in die Hand nahm.
»Mann, ich habe schon so viel von dir gehört, und jetzt …«
Mars war derart überrascht, daß er den Speer wieder losließ, der daraufhin laut scheppernd zu Boden fiel. Jason bückte sich sofort und hob ihn für den Exkriegsgott auf.
»Willst du etwa damit sagen, daß du dich im Grunde freust, mich zu sehen?« erkundigte sich Mars ungläubig.
»Na klar, Mann! Als ich noch zur Schule ging, hatte ich mein ganzes Zimmer mit Postern von dir tapeziert.«
»Ich …«
»Du bist mein Lieblingsgott gewesen«, fuhr Jason mit unverhohlener Begeisterung fort. »Ich habe sämtliche Sagen von dir gelesen. Ich hatte sogar ein T-Shirt, auf dem …«
Mars ließ den Speer erneut fallen. »Bist du dir auch ganz sicher, daß du nicht jemand anderen meinst?« erkundigte er sich.
Jason nickte heftig, holte mit hochrotem Kopf ein Stück Papier aus der Tasche hervor und stammelte: »Ich … also, ich will dir wirklich nicht auf die Nerven gehen, aber könntest du mir bitte ein Autogramm geben? Irgendwas wie Alles Gute vom … ehm, von Mars. Es ist nicht für mich. Es ist für …«
»Weißt du eigentlich, weshalb ich hier bin?« unterbrach ihn der Exkriegsgott.
»Ehrlich gesagt, nein«, antwortete Jason wahrheitsgemäß und fügte erwartungsvoll hinzu: »Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«
Mars schluckte schwer und antwortete: »In gewisser Weise ja.«
»Und wie genau?«
Mars schloß die Augen und fragte sich, ob es sich hierbei um einen erneuten Beweis seines sprichwörtlichen Unglücks handelte. Die Augen des Jungen funkelten ihn mit dem goldenen Glanz der Heldenverehrung an. Zum erstenmal in meinem Leben freut sich tatsächlich jemand, mich zu sehen, sagte er sich. Verdammte Scheiße!
So freundlich wie möglich fuhr er laut fort: »Weißt du, ich bin hierhergeschickt worden, um …«
»Ja?«
»Ich bin von Jupiter hierhergeschickt worden …«
»Ach wirklich? Wie geht’s Daddy eigentlich?«
»… um dich zu töten.« Mars lächelte säuerlich. »Sozusagen jedenfalls.«
Physiognomen wollen einen glauben machen, daß es einem menschlichen Gesicht unmöglich ist, überhaupt keine Regung zu zeigen; falls dies wirklich der Fall ist, dann war Jason in diesem Augenblick mehr Gott als Mensch.
Mars biß sich verlegen auf die Unterlippe und fuhr fort: »Wenn ich töten sage, dann klingt das sehr viel schlimmer, als es in Wirklichkeit ist. Du wirst nämlich vielmehr in die große Sternenfamilie
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