Liebling, Ich Kann Auch Anders
mit Thomas, dann aber auch mit Marie-Roses Hilfe, ein Baumhaus auf. Das heißt, sie stellten es fertig. Magnus hatte im vorletzten Herbst zusammen mit dem Jungen damit begonnen, doch dann hatte der Vater den Sohn immer wieder vertröstet, bis das Projekt in Vergessenheit geraten war.
Gegen Mittag des dritten Tages war das Werk schließlich vollendet und sowohl die Kinder als auch Eva waren sehr stolz auf das Ergebnis ihrer schweißtreibenden Arbeit. Das Baumhaus war so geräumig, dass sie zu dritt bequem darin Platz fanden. Es ermöglichte einen exzellenten Blick über das ganze Anwesen und auf den See. Und das Beste dabei war natürlich, dass die Insassen selbst von unten nicht gesehen wurden. Den Kindern gefiel ihre erste selbst erbaute Behausung so gut, dass sie sie gar nicht mehr verlassen wollten, was natürlich angesichts der Villa, des großen Gartens und des Strands schon recht rührend war. Aber Eva hatte Verständnis und ließ ihnen für die paar Stunden, die ihnen noch blieben, ihren Willen. Wer weniger Verständnis für die Begeisterung der Kinder aufbrachte, war Cerbi, der das Hochsehen hatte. Das riesige Tier fühlte sich ausgeschlossen, und selbst Evas Bemühungen, ihn abzulenken, indem sie mit ihm schwamm und auf dem Rasen herumtollte, fruchteten nur kurzfristig. Er kratzte am Baumstamm und bellte empört nach oben. Also unternahmen sie gemeinsam den Versuch, das Tier ins Baumhaus zu befördern. Dazu benutzten sie den Flaschenzug, den sie als Erstes für ihre Lastentransporte installiert hatten. Auf einer Palette, die an starken Seilen hing, wollten sie Cerbi hochhieven, doch der hielt natürlich nicht still. Die Plattform schwankte, und er sprang immer wieder ab. Also beschloss Thomas, mit dem Hund auf die Bretter zu sitzen und ihn festzuhalten, was spezielle Sicherheitsvorkehrungen notwendig machte. Aber schließlich funktioniert die Geschichte, und Cerbi konnte die außergewöhnliche Bleibe beschnuppern und sich dann zu Füßen der anderen ausstrecken. Damit wurde es natürlich enger, aber umso gemütlicher.
Zum Abendessen zogen sie einen Korb mit Nahrungsmitteln und Getränken hoch, aßen und tranken in der lauschigen Enge und stellten Eva eine Menge Fragen, die sie nie an ihre Eltern zu richten gewagt hätten.
Wie nicht anders zu erwarten, handelte es sich fast ausschließlich um Sexualität. Eva blieb keine Antwort schuldig, bemühte sich jedoch mit ihren differenzierten Ausführungen dem Erfahrungshorizont gerecht zu werden. Über diesen spannenden Gesprächen vergaßen sie völlig, dass die Eltern ja an diesem Abend zurückkommen wollten.
So ergab sich gegen neun Uhr für die beiden Heimkehrenden eine spannende Suchaktion, bis Cerbi schließlich anschlug und für Aufklärung sorgte. Die Kinder kletterten die Strickleiter hinunter, um die Eltern zu begrüßen und sie aufzufordern, ihr Werk zu bestaunen. Was dann auch geschah.
Amüsiert beobachtete Eva, wie schwer sich Magnus mit dem Aufstieg an der Strickleiter tat. Sein Mundwerk war doch wesentlich geschmeidiger als sein Körper …
Francis war außer sich vor Begeisterung und Bewunderung für das eindrucksvolle Ergebnis sechshändiger Arbeit.
Magnus zeigte sich deutlich verhaltener, was zweifellos damit zusammenhing, dass ausgerechnet Eva geholfen hatte, ein Werk zu vollenden, das seines hätte werden sollen – als präsentables Vater-und-Sohn-Monument.
Nun erntete Eva die ganzen Lorbeeren! Es war wirklich nicht zu fassen, wie diese raffinierte Person Schritt für Schritt mehr Fuß fasste in seinem Leben. – Und niemand außer ihm störte sich daran. Im Gegenteil, Frau, Kinder – ja selbst der Hund – waren hingerissen von dieser Schlange und voller Bewunderung für sie.
»Toll, wirklich toll«, schwärmte Francis. Und um noch eins drauf zu setzen: »Eva, damit machst du uns allen eine Riesenfreude. Magnus hätte dieses Werk in dieser Generation sicher nicht mehr vollendet!« Mit einem kleinen nachsichtigen Lächeln, das ihn über die Maßen wurmte, setzte seine Frau hinzu: »Seine Hände bewegen sich nun mal lieber auf der Tastatur des Computers als zum Verrichten handwerklicher Arbeit.«
Das war zu viel. Magnus verließ den Schauplatz, um das Auto auszuladen.
»Kinder, ich bin stolz auf euch! Wenn ihr mögt, gibt’s zur Feier des Tages in einer Viertelstunde noch einen schönen großen Eisbecher auf der Terrasse.«
Da waren natürlich alle einverstanden. Zuvor kam es allerdings noch zu einem mittleren Tohuwabohu, als
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