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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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Annonce in die Frauensparte des Lake.Pinboards: ›Wenn du wie wir der Meinung bist, dass du mit Marcel P. noch ein Wörtchen zu reden oder ein Hühnchen zu rupfen hättest, melde dich bitte umgehend bei Silvia und Tamara.‹
    Die beiden Namen wählten sie vorsichtshalber, falls Magnus auch in den Anzeigen für Frauen wühlen sollte oder eine seiner aktuellen Korrespondentinnen sich eifersüchtig bei ihm erkundigte, wer die beiden seien. Und überhaupt fanden sie, zwei Namen klängen überzeugender als einer.

     
    Im Baumhaus, das inzwischen zum Refugium für ganz spezielle Unterhaltungen geworden war, sprach Eva mit den Kindern über die Midlife-Crisis bei Männern. Sie gab ihnen zu bedenken, dass ihr Vater sich vielleicht verändert habe und sich für eine Weile merkwürdig benehme. Das sei jedoch kein Grund zu tiefer Besorgnis. Er werde möglicherweise eines Tages wieder so werden, wie sie ihn schätzten und liebten. Mit ihrem Verständnis und etwas Geduld könnten sie ihm sicher sogar helfen, diese Phase rasch zu bewältigen.
    »Ja, aber was ist mit dir?«, fragte Marie-Rose besorgt. »Wirst du uns jetzt verlassen?«
    »Ich werde so lange bleiben, wie es eurer Mutter und mir passt und wiederkommen, wann und so oft es mir gefällt.«
    »Und was ist mit der Zirkusschule?«
    »Ich bin mir ziemlich sicher, deine Mutter und ich werden Wege finden und die Weichen stellen, dass das so klappt, wie es gut für dich ist.«
    An einem anderen Tag sprach sie mit den Kindern über Drogen. Über die unvorhersehbaren Folgen, die der Genuss gefährlicher und halluzinogener Pflanzen nach sich ziehen kann.

     
    In der Mailbox von Tamara und Silvia trudelten während der nächsten Tage siebzehn Zuschriften ein. Aus Deutschland, der Schweiz und Österreich. Dreizehn Frauen hatten sich mit Marcel getroffen, sechs davon hatten Sex mit ihm. Die anderen ließ er kurz vor dem Treffen fallen und verschwand auf Nimmerwiederlesen. Alle, die sich meldeten, fühlten sich vor den Kopf gestoßen. Die, mit denen es zu Intimitäten gekommen war, wurden nach dem ersten oder spätestens dritten Treffen abgelegt.

    »Da hast du ja alle Rekorde gebrochen«, bemerkte Francis trocken.
    »Vermutlich bin ich auch an Beharrlichkeit kaum zu übertreffen.«
    »Es ist verrückt. So viel Aufwand für etwas, das er zu Hause auch haben kann.«
    »Aber Francis! Doch nicht mit der Befriedigung des Jägers. Weißt du, ich bin sicher, bei der Gruppe Frauen, die sich bislang gemeldet haben, handelt es sich lediglich um die Spitze des Eisbergs. Ich bin felsenfest davon überzeugt, viele sind so frustriert, dass sie die Geschichte verdrängt haben und nicht mehr damit konfrontiert werden wollen. Und einige machen seit Marcel bestimmt auch einen Riesenbogen um diese Plattform.«
    »Schon möglich. Aber wie willst du an die anderen rankommen?«
    »Indem wir Marcels Passwort knacken.«
    »Super! Das wäre zwar genial – ist aber doch so gut wie unmöglich.«
    »Ich hab da eine Idee. Lass es uns probieren!«
    Eva rief den Server auf, bei dem Magnus sein Postfach unterhielt, gab ›Marcel P.‹ ein und tippte dann in die Rubrik für das Geheimwort ›swann‹. Die Seite verschwand, und eine neue verkündete, das Passwort sei falsch. Sie versuchte es mit ›nnaws‹. Mit demselben Ergebnis. Dann gab sie ›Albertine‹ ein. Danach ›enitrebla‹. Wieder nichts. Sie probierte ›madeleine‹. Auch ohne Erfolg. Als sie jedoch ›madeleines‹ schrieb, gelangten sie in das Postfach. »Heureka!«, rief sie.
    Francis küsste sie auf die Wange. »Eva, du bist wirklich genial!«
    »Bin ich nicht. Wäre ich genial, hätte ich diese Idee schon vor Monaten gehabt und wäre niemals so tief in die Falle getappt!«
    »Dann hätten wir uns nie kennengelernt.«
    »Auch wahr.«
    »Aber wie kommst du auf Madeleines? Ein Passwort zu finden, ist doch etwa so wahrscheinlich wie die Stecknadel im Heuhaufen aufzustöbern.«
    »Aber nein. Marcel P. steht für Marcel Proust. Klar? Folglich war es, wie Magnus tickt, nicht unwahrscheinlich, dass er ein Passwort in irgendeinem Kontext mit Proust wählen würde. Ich weiß ja selbst nicht mehr so viel wie früher über Proust. Aber ich hab sein gesamtes Werk für mein Studium gelesen. Also kann ich annehmen, dass Magnus eher weniger drauf hat als ich. Und weil er ein verfressener Typ ist, hat ihn das Teegebäck, die Madeleines, offenbar mehr beeindruckt als Swann, der Protagonist des berühmtesten Werks, ›Auf der Suche nach der verlorenen Zeit‹

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