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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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Hungerkünstlerin), die Person, die sich im Verlag, für den ich hauptsächlich arbeite, um die Film-Lizenzen kümmert. Also habe ich kaum mit ihr zu tun. Es sei denn, ein deutscher Fernsehsender lässt sich einfallen, ein Buch zu verfilmen, das ich aus dem Englischen oder Amerikanischen übersetzt habe.
    Zugegeben, das war jetzt ein bisschen flott. Also etwas weniger hastig: Wie Sie wissen, bin ich Übersetzerin. Freie Übersetzerin. Das heißt, theoretisch kann ich mir aussuchen, ob, wann und für wen ich arbeiten will. Das stimmt aber nur in der Theorie. Denn zum einen ist die Anzahl der Leute, die Bücher übersetzen wollen, größer als die Anzahl der Bücher, die übersetzt werden sollen. Das gilt vor allem für Herübersetzungen aus dem Englischen und Amerikanischen.
    Wenn Ihnen also in Ihrem Englandurlaub ein Buch in die Hände kommt, das Ihnen ausgezeichnet gefällt und von dem Sie glauben, das wäre genau das Richtige für eine Ihrer Tanten, die leider nicht gut genug Englisch kann, um es im Original zu lesen, dann dürfen Sie es nicht als selbstverständlich betrachten, dass Sie dieses Buch auch hierzulande in deutscher Sprache finden. Das geschieht nämlich meist nur dann, wenn das Buch im Original so erfolgreich war, dass ein deutscher oder deutschsprachiger Verlag sich dazu entschließen konnte, die Lizenz dafür zu kaufen.
    Nun gibt es Verlage, die möglichst billig an die Übersetzung kommen wollen. Sie schreiben sie aus und sehen zu, dass sie die Arbeit für einen minimalen Preis geliefert bekommen. Das ist natürlich der Untergang der Qualität und vieler Leute meines Berufsstandes. Zum Glück gibt’s aber immer noch Verlage, die sich dem Werk der Autoren und Autorinnen, die sie in ihrem Programm haben, so verbunden fühlen, dass sie Wert auf Qualität und Kontinuität legen. Das bedeutet, dass möglichst alle Bücher von derselben Person übersetzt werden. Ich arbeite überwiegend mit einem Verlag zusammen, kann aber, wenn es mir gefällt, weil mich ein Buch brennend interessiert, auch für einen anderen tätig werden. Sofern der mich will.
    Nun befinde ich mich seit letztem Jahr in der privilegierten Position, für meine Arbeit einen Preis erhalten zu haben. Meine Qualität ist damit offiziell anerkannt. Allerdings mag ich weder behaupten, noch vermag ich es zu beurteilen, ob ich diese Auszeichnung eher verdient habe als etliche meiner Kolleginnen und Kollegen, aber ich freue mich natürlich darüber. Obwohl ich die Trophäe möglicherweise allein dem Umstand verdanke, dass meine Übersetzungen eines amerikanischen Autors sich in Deutschland besser verkaufen als in seiner Heimat. Das kann durchaus am Marketing liegen. Aber seit ein bekannter Kritiker die Meinung verlauten ließ, die Romane seien in der deutschen Übersetzung packender als im Original, darf ich diesen Lorbeerkranz tragen.
    Ich gebe mir natürlich Mühe. Aber sicher doch! Schließlich liebe ich meinen Beruf. Und ich schätze die teilweise immense Arbeit, die in einem Roman steckt. Außerdem finde es absolut faszinierend, wie viel ich über die Menschen erfahre, deren Texte ich übersetze. Weit über das hinaus, was da schwarz auf weiß gedruckt steht. Ich weiß, welche Klassiker sie gelesen haben, welche Musik sie mögen, welche Weltanschauung sie vertreten, welche Ideale sie verfolgen und wie sie ihre Mitmenschen wahrnehmen. Genauso kann ich ahnen, wie es um ihr Seelenleben bestellt ist, ob sie depressiv sind oder glücklich. Ich erfahre, wie sie gegenüber Drogen eingestellt sind und ob sie welche konsumieren. Wenn ich mich zur Übersetzung eines Autors oder einer Autorin entschließe, dann stehe ich auch zu seiner oder ihrer Arbeit. Allerdings gehöre ich nicht zu den Leuten, die die Werke anderer einem Sprachautomaten gleich wörtlich übersetzen. Im selben Maße wie den Autorinnen und Autoren fühle ich mich nämlich meiner Muttersprache verbunden und verpflichtet. Deshalb gehe ich auch eher frei mit dem Text um. So, wie es dem Gesamtwerk am besten bekommt. Dabei liegt mir zunächst daran, den Sprachduktus, die Grundmelodie, zu erfassen, dann wird das Ganze natürlich und lebendig. Manchmal spiele ich die imaginäre Musik sogar auf dem Klavier. Und jedes Mal, wenn ich mich an meinen Schreibtisch setze, um die Übersetzung voranzubringen, summe oder trommele ich vor mich hin, um wieder den Rhythmus aufzunehmen, den Pulsschlag des jeweiligen Romans.
    Eine Zeit lang habe ich lieber Werke von Frauen übersetzt, aber inzwischen ist

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