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Liebling, Ich Kann Auch Anders

Liebling, Ich Kann Auch Anders

Titel: Liebling, Ich Kann Auch Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Kast-Riedlinger
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durchtrennen, aber das lassen wir natürlich schön bleiben, denn wir ziehen uns das Zeug so richtig genüsslich rein und zerdrücken es mit der Zunge am Gaumen. Ein haptischer Hochgenuss, ich schwöre es Ihnen! Und mit hundert Gramm bekommen Sie einen riesigen Haufen. Eine halbe Stunde fühlen Sie sich nach diesem Genuss lediglich satt und zufrieden. Doch dann entfaltet der Knobi seine Wirkung, und Sie kommen fantastisch in Fahrt. Veritables Natur-Doping!
    Eva lästert gelegentlich, wir betrieben mit der weich gekochten Pasta orale Masturbation. Ja, vermutlich hat sie damit sogar recht. Schließlich gibt es eine Menge Speisen, die allein wegen des haptischen Effekts gekauft werden. Weil es knuspert, knackt, schmilzt, pufft, prickelt, bröselt, schlunzt oder schlickert. Sie glauben doch nicht im Ernst, ein Mensch würde das Zeugs, das euphemistisch als Götterspeise bezeichnet wird, des Geschmacks wegen essen. Farbiges geliertes Zuckerwasser mit künstlichen Aromastoffen. Ich bitte Sie! Dieses Produkt existiert allein für die Hapto-Freaks, und ich bin überzeugt, es spielt auch eine bedeutende Rolle bei erotischen Spielen.

     
    »Tut mir leid«, erwiderte Eva auf meine Einladung. »Selbst, wenn es mich reizen könnte, einfach alles stehen und liegen zu lassen, um Abstand zu gewinnen, es geht nicht. Ich habe David eingeladen. Er kommt morgen.«
    »Schön«, sagte ich und schluckte heldinnenmütig meine Enttäuschung hinunter. »Das wird dir auch guttun. Ich wünsche euch eine Menge toller Einfälle. – Weiß er übrigens, dass Leonardo Wolli ist?«
    »Nein, da ich die beiden doch verkuppeln möchte, wollte ich nicht, dass er ihm voreingenommen begegnet.«
    Sie gingen wirklich liebevoll miteinander um, Eva und Leonardo! Und ich konnte zusehen, wie ich meine Eifersucht in den Griff bekam – vor allem, ohne mich zu entlarven.

     
    Leonardo legte für Eva Vivaldis ›Vier Jahreszeiten‹ auf, weil die antidepressive Wirkung dieser Musik schließlich wissenschaftlich erwiesen ist. Und sie bereitete grünen Tee und eine große Platte mit frischen Früchten zu.
    »Wenn wir alt und abgeklärt sind und die ganze Last mit der Lust hinter uns haben, dann heiraten wir und schlafen jede Nacht umarmt und frühstücken jeden Morgen zusammen«, versprach Leonardo und lächelte sie an.
    Also, da hätte ich schon auch noch gern ein Wörtchen mitgeredet. Ich hatte für diese Zeit nämlich ganz andere Pläne mit Eva – falls ich dann nicht meine Enkelkinder betüteln muss. Aber dafür wären ja schließlich gewisse Vorbereitungen nötig, die sich im Augenblick nicht einmal entfernt abzeichneten.
    Drei Stunden später wartete Leonardo mit einer tollen Überraschung für Eva auf. Er übergab ihr feierlich den Lenker eines Fahrrads. »Ich hab’s günstig bekommen von einem Typ im Fitnessstudio. Der kauft sich alle zwei Jahre ein neues.«
    Eva wollte das Rad natürlich bezahlen, aber das lehnte Leonardo entschieden ab: »Nein, nein, ich will dich doch nicht von dem Gefühl befreien, du seist mir was schuldig. Du wirst dich jetzt nämlich verpflichtet fühlen, mit mir Radtouren zu unternehmen. Auch wenn dir gar nicht danach ist.«
    Sie lachte und gab ihm einen Kuss. »Also, in einer Stunde kann’s losgehen!«

     
    Das Wetter am ersten Aprilwochenende war ideal für eine Radtour. Nach einer eher kühlen und stürmischen Periode begann das Sommersemester mit sonnigen warmen Tagen. Die Vegetation explodierte geradezu bei Temperaturen bis zu zwanzig Grad.

    Als sie ihre Tasche für die Tour packte, überlegte Eva einen Moment lang, ob sie das Handy mitnehmen sollte – falls Marcel sich doch endlich entschloss, sich bei ihr zu melden. Aber dann rang sie sich dazu durch, es dazulassen und sie war ein bisschen stolz auf sich.
    Sie fuhren über den Tägerwiler Zoll in die Schweiz, dann auf Radwegen zunächst am Seerhein und schließlich am Ufer des Untersees entlang westwärts. Eva war begeistert von der idyllischen Landschaft und den schmucken Ortschaften mit den alten aufwendig gestalteten Fachwerkhäusern. Die Saison hatte noch nicht begonnen, aber wegen des schönen Wetters waren vielerorts bereits Gartenmöbel vor den Lokalen aufgestellt. Nach etwa einer Stunde kamen sie nach Steckborn, ein bezauberndes mittelalterliches Städtchen, wo sie eine Pause einlegen wollten. Sie verließen die enge Haupt- und Durchgangsstraße, die von Fachwerkhäusern mit vielen kleinen Geschäften gesäumt wird, fuhren über einen kleinen Platz auf das

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