Liebling, vergiss die Socken nicht
Bernie, der im Regieraum saß, an alle im Studio weiter.
Ally stieß einen erleichterten Seufzer aus. Sie konnte sich nicht erinnern, je einen so mörderischen Tag gehabt zu haben. »Wann braucht ihr mich wieder?« Sie spürte, dass die Kopfschmerzen stärker wurden, und sehnte sich nach einer kurzen Entspannungspause in ihrer Garderobe.
Der Aufnahmeleiter sprach in sein Mikrofon.
»Bernie möchte, dass Sie in 45 Minuten geschminkt und für die nächste Runde bereit sind.«
Ally stöhnte. Dieses Zeitbudget machte ihren Wunsch nach einer Ruhephase zunichte.
»Oh, und noch etwas, Ally. Bernie sagt, gut gemacht. Geprobt wie ein alter Hase.«
»Also dann, Allegra, was kann ich für Sie tun?« Elaine dirigierte sie in ihren Schminksessel und legte ihr einen weißen Umhang an.
»Ein neuer Kopf wäre nicht schlecht.« Ally schluckte zwei Paracetamol extra stark. Sie blickte in den Spiegel. Nachdem sie in letzter Zeit immer so spät ins Bett gekommen war, sah sie jetzt aus wie eine Figur aus einem Horrorfilm. Draculas Braut vielleicht. Nein, zu schmeichelhaft. Draculas Schwiegermutter? »Lassen Sie mich bitte einfach nur wie jemand anderes ausschauen, ja?« sagte sie zu Elaine. »Wie Meryl Streep zum Beispiel.«
Lachend griff Elaine zur Grundierung. Mit einem weißen Band schob sie Allys Haar nach hinten und befahl ihr, sich zurückzulehnen und die Augen zu schließen. Ally, die von den Anstrengungen des Tages und dem Stress der vor ihr liegenden Herausforderung restlos ausgelaugt war, gab sich dem Luxus, verwöhnt zu werden, vollkommen hin. Sekunden später war sie eingedöst. Als sie wieder aufwachte, beschlich sie das merkwürdige Gefühl, jemand anderen anzuschauen. Jemand, der glänzender, glamouröser und viel weniger müde war als sie.
»Elaine, Sie sind eine Zauberin! Wer hat diese Frau geschickt?«
Elaine betrachtete ihr Werk. Ally sah in der Tat umwerfend aus. Elaines Experiment mit rosa und gelbbraunen Tönen statt des gewöhnlichen knallroten Lippenstifts ließ Ally um Jahre jünger erscheinen. Sie sah richtig strahlend aus.
»Es ist schon verblüffend«, sagte Elaine, die sich über Allys Verzückung freute, »was man mit so ein bisschen Make-up alles machen kann.«
Wieder in ihrer Garderobe, stellte Ally mit einem erschreckten Blick auf die Uhr fest, dass ihr nur noch zehn Minuten blieben. Sie zog sich rasch aus und warf ihre Klamotten auf die Couch. Wohin, um alles in der Welt, war die Garderobiere mit ihrem Kostüm verschwunden? Sie fluchte. In diesem Raum gab es kein Telefon. Sie konnte also nicht mal Nikki anrufen und sie bitten, der Frau ein bisschen Dampf zu machen. Und sie konnte kaum splitternackt über den Flur rennen, um sich ihre Kleider selbst zu holen.
Sie nahm einen Slip und eine schwarze Lodenier Strumpfhose aus ihrer Tasche und zog sie an. Ihr Herz klopfte vor Nervosität, und sie versuchte, sich durch tiefes Ein- und Ausatmen zu beruhigen.
Sie hörte, wie draußen jemand das Kombinationsschloss bediente. Gott sei Dank, das musste die Kleiderfrau mit ihrem Kostüm sein.
Die Tür wurde genau in dem Moment geöffnet, als Ally einen Fuß auf ihren Stuhl gestellt hatte und behutsam die hauchfeinen Strümpfe glattstrich. Die unerwartete Stille ließ sie aufblicken und in den hell erleuchteten, riesigen Spiegel vor sich starren.
In der Tür stand Danny Wilde und betrachtete sie gelassen. Ally schlug die Hände vor ihren Busen.
»Entschuldigen Sie«, sagte Danny, und es klang alles andere als das. »Ich muss die falsche Kombination eingetippt haben.«
Langsam machte er die Tür zu und ließ Ally mit rasendem Puls und vor Verlegenheit errötend zurück. Sie schloss ihre Augen und versuchte, die Fassung wiederzufinden. Plötzlich merkte sie, dass ihre Kopfschmerzen wie weggeblasen waren.
Zehn Minuten später saß Ally auf der Galerie hinten im Regieraum. Sie war froh, dass ihr Zittern endlich aufgehört hatte und außerdem noch niemand aufgetaucht war und sie in der kühlen Dunkelheit bemerkt hatte.
Okay, sie hatte sich furchtbar erschreckt. Aber es war ein Versehen gewesen, nicht mehr. Das konnte jedem passieren, seit Century neuerdings dieses dumme System mit den Kombinationsschlössern an den Umkleideräumen eingeführt hatte. Das Beste war, die Sache zu vergessen.
Sie knipste das Licht an und nahm ein Skript in die Hand. Sie überflog es kurz, um sich die erste Kameraeinstellung einzuprägen.
»Ally?« Ken, der Assistent des Aufnahmeleiters, steckte seinen Kopf zur Tür herein.
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