Liebling, vergiss die Socken nicht
»Viel Spaß.«
Ally verließ so schnell wie möglich den Raum und ging in ihre Garderobe, um ihre Sachen einzusammeln. In fünf Minuten würde sie alles gepackt und ein Taxi bestellt haben, und in einer Stunde wäre sie zu Hause.
Matt starrte noch immer auf den Fernseher, ohne irgend etwas von dem, was gerade lief, mitzubekommen. Er fühlte sich total deplaziert. Nicht einfach nur im Programm, sondern im Leben. Seine Vernunft sagte ihm, dass dieser Kuss auf die Wange überhaupt nichts zu bedeuten hatte, aber sein Instinkt hielt dagegen.
Nach so vielen Jahren beim Fernsehen wusste er, wie leicht es passieren konnte. Der Zufall würfelte einen zusammen. Es war aufregend, eine Sache gemeinsam durchzuziehen, an die beide glaubten. Man arbeitete bis spät in die Nacht. Und dann? Dann passierte es. Es war nicht mal so, dass die Leute danach suchten, es erwischte sie einfach. Es war so entsetzlich vorhersehbar.
Er schaltete das Fernsehgerät aus. Er musste sich zusammenreißen. Aus einer plötzlichen Wut über sich selbst heraus unternahm Matt den bewussten Versuch, einfach zu glauben, dass Ally in einer Stunde durch diese Tür hereinkommen, er über seine albernen Verdächtigungen lachen und ihr von dem Wochenende erzählen würde, das er für sie beide gebucht hatte. Alles würde in Ordnung sein. Durch diese Vorstellung auf fröhlichere Gedanken gebracht, schubste er Sox von den Knien und ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen.
Als sich zehn Minuten später die Lifttüren öffneten, war Ally überrascht, eine kleine Gruppe von Leuten aus ihrer Redaktion noch im Empfang anzutreffen. Verlegen drehte sie sich weg, doch Sally, die lauteste von allen, steuerte auf sie zu.
»Ally, Sie müssen mit! Es ist ohne Sie einfach nicht das gleiche.« Sally wusste, das war Erpressung, aber sie fand den Gedanken, dass Ally fehlte, unvorstellbar. »Denken Sie doch nur daran, wie hart wir gearbeitet haben. Es gibt sogar ein Geschenk für Sie.«
Ally gab sich geschlagen. Sie hatte Danny widerstanden, weil sie es musste, aber gegen diese Attacke kam sie nicht an.
»Okay«, willigte sie schmunzelnd ein. »Aber ich muss Matt noch anrufen.«
»Sagen Sie ihm, er soll Ihre Pantöffelchen schon mal unter die Heizung stellen und Ihr Essen dem Hund geben«, empfahl ihr eine von den anderen Produktionsassistentinnen, die eine Flasche unter den Arm geklemmt hatte.
Ally benutzte den Apparat an der Rezeption. Von Danny war nichts zu sehen. Entweder war er schon mit den anderen weg oder nach Hause gefahren. Sie vermochte nicht zu sagen, was ihr lieber war.
Als das Telefon läutete, wusste Matt sofort, wer es war. Zu oft war er in der gleichen Lage gewesen. Das Lampenfieber vor der Show, die Aufregung während der Sendung. Und die Euphorie danach. Dann zu viele Drinks in kurzer Zeit, und irgendwann schlug jemand vor, essen zu gehen. Wie oft hatte er in einer solchen Situation an seine Frau und seine Kinder gedacht und höflich abgelehnt?
»Hallo, Matt. Ich bin‘s, Ally.« Er hörte den leicht entschuldigenden Ton in ihrer Stimme und das kindische Gelächter im Hintergrund. »Alle gehen zur Feier des Tages noch etwas essen. Wir haben 23 Millionen Pfund geschafft!«
»Ich weiß«, sagte er vergnügt. »Ich hab‘s gesehen.«
Ally war überrascht und bewegt. Das hatte sie nicht von ihm erwartet.
Mach weiter , wollte er gerade sagen, amüsier dich.
Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Danny Wilde neben Ally auf. »Komm schon, Star«, sagte er etwas lauter, als unbedingt notwendig gewesen wäre, »es sind schon fast alle weg.«
Von Eifersucht gepackt, schloss Matt am anderen Ende der Leitung die Augen und legte den Hörer auf. Und wie er so im Halbdunkel dasaß, überwältigte ihn ein anderes, bislang fremdes Gefühl: derjenige zu sein, der sitzengelassen wurde.
Draußen auf dem Bürgersteig musste Ally feststellen, dass Sally und die lärmende Truppe von Produktionsassistentinnen sich zwecks Taxisuche oder mit den eigenen Autos bereits davongemacht hatten und sie und Danny allein zurückgeblieben waren. Sie versuchte, ein Taxi herbeizuwinken.
»Kein Grund zur Sorge. Wir können meinen Wagen nehmen.« Er zeigte auf einen altmodischen Rover, der ein paar Meter weiter geparkt stand.
Ally war verwundert darüber, dass er eine ungefähr vierzig Jahre alte Kiste fuhr und zugleich erleichtert, denn damit hatte sie schon ein Gesprächsthema für die Fahrt zum Restaurant. Er hielt ihr mit einer höflichen Verbeugung die Tür auf und
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