Liebling, vergiss die Socken nicht
Mensch, den sie in dem lauten, überfüllten Raum entdeckte, war Matt, ins Gespräch mit einem berühmten Schauspieler vertieft. Sie war jedesmal aufs neue verblüfft, wenn sie Matt bei der Arbeit beobachtete. Er stand so sehr im Mittelpunkt, alles kreiste um ihn. Neben ihm bildete sich eine kleine Schlange von Leuten, die hofften, seine Aufmerksamkeit auf sich ziehen zu können. Aufstrebende Stars, ein PR-Agent und eine junge Redakteurin mit einer alten Dame am Arm, die aussah wie ihre Oma. Die Aussicht darauf, Matt Boyd kennenzulernen, ließ ihre Augen leuchten.
Dann sah er sie. Auf der Stelle kam er herüber und lächelte erfreut. »Ally, Liebes, du hast gar nicht gesagt, dass du kommen würdest!« Er umarmte sie und gab ihr einen Kuss. »Was ist denn mit Jess‘ Klavierstunde passiert?«
»Sie ist mit dem Bus gefahren.«
»Was hat deinen Umschwung ausgelöst?« Er hielt einen Kellner an und besorgte ihr ein Glas Wein. »Ich dachte, du fändest uns Fernsehleute oberflächlich und egozentrisch.«
»Tu ich auch.« Sie drückte voller Zuneigung seine Hand. »Deshalb habe ich einen Tisch für uns bestellt, damit ich dich ihrem Einfluss entreißen kann.«
»O Gott, Liebes, warum hast du das nicht heute morgen gesagt?« Man konnte seine Enttäuschung heraushören. »Ich habe versprochen, mit zu Joe Allen‘s zu gehen. Alle gehen dorthin. Ein seltener Anfall von Teamgeist. Warum kommst du nicht mit? Es wird sicher lustig.«
Allys Mut schwand. »Okay. Natürlich. Mit Vergnügen.«
»Fein. Ich sage es gleich Bernies Sekretärin. Sie organisiert das Ganze.«
Ally nahm einen Schluck Wein. Es war nicht ganz das, was sie geplant hatte, aber immerhin... Sie wollte sich schließlich stärker für seine Arbeit interessieren, und das war seine Arbeit.
Auf der anderen Seite des Raumes blieb er stehen und sprach mit einer aufsehenerregenden jungen Frau mit langen dunklen Haaren, die einen Herrenanzug zu tragen schien. Sie war groß und schick und strahlte jene lässige Selbstsicherheit aus, die Ally stets gefehlt hatte. Sogar aus dieser Entfernung konnte Ally erkennen, dass sie übertrieben dicht bei ihm stand und immer wieder seinen Arm berührte. Dann lächelte sie ihn mit einem Ausdruck solcher Vertrautheit an, als wären sie allein im Raum. Ally durchzuckte ein warnender Anflug von Angst.
Sie drehte sich zu Bernie Long um, der sich neben sie gequetscht hatte, um noch einen Drink zu ergattern. »Bernie«, Ally beugte sich zu ihm hinüber, »wer ist denn das dunkelhaarige Mädchen, mit dem Matt spricht?«
Bernie sah von Ally zu der jungen Frau hinüber und wieder zurück. »Das ist Belinda, die neue Produzentin. Ihr Geburtstag wird heute Abend gefeiert.« Er hob sein Glas und stieß damit gegen ihres. »Hat Matt nichts davon gesagt?«
Ally starrte verwirrt zu ihnen hinüber. Und dann fiel ihr das Gespräch wieder ein, das sie auf der Toilette mitgehört hatte. Jetzt war ihr klar, um wen es sich gedreht hatte.
Und ganz plötzlich hatte sie keine Lust mehr, essen zu gehen.
3. Kapitel
»Hallo, Ma.« Janey lag auf dem Sofa vor dem Fernseher und reckte ihrer Mutter überrascht die Arme entgegen. »Du kommst aber früh.«
Gerührt von der ungewohnten Wärme, mit der ihre ältere Tochter sie begrüßte, beugte sich Ally hinab und gab ihr einen Kuss. Dann ließ sie sich neben sie auf die weichen, chintzbezogenen Polster sinken. Normalerweise lehnte Janey im Moment jeglichen Körperkontakt ab. Ally wusste, dass das ganz normal und völlig in Ordnung war und zum Erwachsenwerden gehörte. Da ihre Abnabelung vom Elternhaus aber mittlerweile so weit ging, dass Janey bereits die schlichte Frage danach, wo sie hinging, als unerträglichen Eingriff in ihre persönliche Freiheit betrachtete, war es etwas anstrengend geworden.
Als Janey sich an sie kuschelte, stellte Ally mit Entsetzen fest, dass sie ihre Fallschirmspringerstiefel auf der neuen Polstergarnitur hatte. Diese Angewohnheit hatte sie von ihrem Vater, obwohl der wenigstens erst die Schuhe auszog.
»Füße runter«, kommandierte sie und gab Janey einen Klaps auf die Beine.
»Ach, Mum«, protestierte Janey, »ist das hier ein Zuhause oder ein Museum?«
Angesichts der Ungeheuerlichkeit dieser Unterstellung musste Ally grinsen. Trotz der Bemühungen des Raumausstatters, die Ally nun sowieso unterbinden wollte, war Fairlawns alles andere als ein Museum. Sogar im Wohnzimmer lag haufenweise Zeug herum, das Ally unaufhörlich dorthin zurückzubringen versuchte, wo es
Weitere Kostenlose Bücher