Liebling, vergiss die Socken nicht
dringend.«
32. Kapitel
Als Jess die Stimme ihres Vaters hörte, brach sie vor Erleichterung in Tränen aus. Jetzt würde alles gut werden.
»Jess. Jessy, Liebling. Was ist los?« Der zärtliche Ton ließ sie nur noch mehr weinen. »Was, um Himmels willen, ist passiert?«
»O Dad«, stieß sie schluchzend hervor, »Ich habe doch nicht gedacht, dass sie es wirklich tut. Ich bin schuld. Wenn ich nicht auf sie losgegangen wäre, weil sie dir das mit Danny Wilde erzählt hat, wär‘ es nie passiert!«
»Jessy, wovon redest du? Wer hätte was nicht getan?«
»Janey, Dad. Sie ist abgehauen.«
»Mein Gott! Wann?«
»Heute morgen.« Jess klang plötzlich nicht mehr ganz so reuevoll, und man konnte aus dem Tonfall ihrer Stimme heraushören, dass sie stolz darauf war, diejenige zu sein, die Bescheid wusste. »Seitdem ist Mum unterwegs und sucht sie.«
Matt hörte ihr erschreckt zu. »Bist du sicher, dass sie nicht zu irgendeiner Freundin gegangen ist?«
Jess schüttelte den Kopf. »Das glauben wir nicht. Wir haben überall nachgefragt.« Jess kam sich erwachsen und wichtig vor. »Außerdem hat sie all ihre Sachen mitgenommen und den Bausparvertrag und ihr Sparbuch.«
»War denn viel Geld drauf?« Jess war die Sparsame. Janey hatte immer alles, was sie besaß, ausgegeben.
»Mum schätzt, um die vierzig Pfund.«
Damit konnte sie nicht weit kommen.
»Hat Mum eine Ahnung, wohin sie gegangen sein könnte?«
Jess fragte sich, wie ihr Vater wohl den nächsten Brocken schlucken würde. »Wir glauben, zu Adam. Er wohnt in einem besetzten Haus in Notting Hill.«
»Wo in Notting Hill?« Matts Gehirn arbeitete wie wild. Er kannte die Gegend ein wenig.
»Vermutlich Divinity Road. Dort sucht Mum gerade.«
Matt schloss die Augen. Er hatte einen Dokumentarfilm über diese Straße gesehen. Londons Harlem hatten sie die Gegend genannt. Sie war ein Mekka für Crack-Dealer und Heroinhändler. Janey hatte sich den gefährlichsten Ort der ganzen Stadt ausgesucht.
Plötzlich traten Matt die krassen Schwarz-Weiß-Bilder auf den Anti-Drogen-Postern der Regierung vor Augen. Die verhärmten jungen Leute mit den tiefen Ringen unter den Augen, die ihr Leben ruinierten, nur weil jemand sie dazu verführt hatte, sich einen Schuss zu setzen. Töchter und Söhne von anderen Eltern.
Während er Jess zuhörte, kreisten seine Gedanken unentwegt um die eine Frage: Wäre das auch passiert, wenn er seine Familie nicht verlassen hätte?
Was, zum Teufel, sollte er nur tun? In weniger als drei Stunden würde seine Sondersendung mit Meredith Morgan über den Bildschirm flimmern, die Show, die Ritchie Page davon überzeugen sollte, sie nach der Sommerpause wieder ins Programm zu nehmen. Es war eine Live-Sendung, und die Zukunft des gesamten Teams hing davon ab, wie gut oder wie schlecht er war. Wenn er verschwand, bedeutete es das Ende seiner Karriere, und zwar nicht nur bei Century, sondern wahrscheinlich für immer. Es war undenkbar, eine Show aufs Spiel zu setzen, an der das Glück von so vielen Menschen hing.
Und trotzdem? War das die Sache wert? Seine Fernsehkarriere oder Janey? Sie irrte vielleicht ziellos herum. Zu stolz, wieder nach Hause zu kommen, wäre sie sich nur einer Sache sicher: von allen im Stich gelassen worden zu sein. Janey war kein Ausreißertyp. Dieser Schritt musste sie viel Mut gekostet haben.
Matt blickte auf seine Uhr. Vielleicht reichte seine Zeit nicht, um Janey zu finden, aber er konnte immerhin in die Divinity Road fahren und sich dort umsehen. Außerdem wollte er Ally zeigen, dass er sie mit ihren Sorgen nicht allein ließ.
Er schnappte sich seine Autoschlüssel. Von hier war er in fünfzehn Minuten an der Portobello Road.
»Matt?« Belinda kam herein und schloss die Tür. Ihr sechster Sinn hatte ihr gesagt, dass Gefahr im Verzug war, doch sie hatte nicht viel von dem Gespräch mitbekommen, so sehr sie auch die Ohren gespitzt hatte. »Wo willst du hin, verdammt noch mal?« Ihre Stimme klang fast schrill.
Matt überlegte, ob er es ihr sagen sollte. Doch er konnte sich ihre Antwort schon denken. »Sagen wir, ein Notfall. Ich lass von mir hören.«
Belindas entsetztes Gesicht sah so komisch aus, dass Matt trotz seiner Sorgen lächeln musste. »Du kennst doch das Sprichwort: Ein Unglück kommt selten allein.« Mit diesen Worten verließ er das Büro.
»Matt!« schrie Belinda hinter ihm her. »Um Himmels willen, nimm doch zumindest das Telefon mit.« Doch Matt war bereits im Lift verschwunden.
Ausgelassenes
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