Lieblingslied: Roman (German Edition)
vergangenen vierundzwanzig Stunden eine Menge versprochen hatte – und nicht nur gegenüber Annas Vater. Ich drehte die Tüte um und notierte diese auf der Rückseite:
Versprechen an Octavius:
dass ich AnnasGlück immer über mein eigenes stelle.
dass ich sie beschütze und behüte.
dass ich ihr nie das Herz breche.
Versprechen an Großvater Bright:
dass ich Anna stets wie einen kostbaren Schatz behandle. Zitat: »Denn wo dein Schatz ist, ist auch immer dein Herz.«
Versprechen an meinen Vater:
dass ich lerne, zu vergeben, selbst wenn es schwerfällt. (Eigene Gedanken: Aber warum sollte ich diesem Mann überhaupt etwas versprechen? Aber natürlich: Vergebung in einer Ehe klingt immer gut.)
Versprechen an Tante Jo:
dass ich nie vergesse, den Toilettensitz herunterzuklappen. (Eigene Gedanken: eine Wohnung mit zwei Toiletten könnte die Kosten wert sein.)
Versprechen in der Kirche: Vor Gott und seiner Gemeinde verspreche ich, meine Frau zu lieben, zu beschützen und zu trösten:
in Krankheit und Gesundheit
in guten und in schlechten Tagen
in Reichtum und in Armut
in Trauer und in Freude
ihr die Treue zu halten auf ewig
sie zu lieben und zu ehren, bis dass der Tod uns scheidet
Versprechen an Anna:
dass ich ihr mindestens einmal pro Woche ein Ständchen auf meiner Gitarre bringe.
dass ich einen Song für sie allein schreibe und ihn ihr an unserem ersten Hochzeitstag vorspiele.
dass meine Liebe zu ihr mit jedem Tag wachsen werde.
Zufrieden, dass die Liste vollständig war, steckte ich die Tüte in mein Handgepäck, lehnte mich zurück und schloss die Augen. In den Polstern des schmalen Flugzeugsitzes überkam mich ein seltsames Gefühl der Zufriedenheit, so als sei die Welt in Ordnung. Zumindest meine Welt war es. Ich hatte sie gefunden – die einzige Frau, die ich je begehren und lieben würde. Die Frau, die auf den Straßen von Wien in mein Leben getreten und bereit gewesen war, mich in einer Kirche in Moscow zu heiraten.
Ich schlug die Augen auf und sah Anna an. Sie hatte den Kopf gegen das Fenster gelehnt und schlief tief und fest. Doch selbst im Schlaf konnte ich den Anflug eines zauberhaften Lächelns in ihren Zügen erkennen.
Nach dem Tod meiner Mutter hatte ich mich als kleiner Junge oft gefragt, wo sich dieser Himmel eigentlich befand, in den sie angeblich »entschwunden« war. Nie war ich zu einer befriedigenden Antwort gelangt. Aber mein letzter Gedanke in jener Nacht im Flugzeug, bevor mich das eintönige sonore Brummen der Triebwerke in den Schlaf wiegte, war, dass ich diesen Himmel schließlich gefunden hatte. Er verbarg sich hier unmittelbar neben mir in Annas vollkommenem Lächeln.
Unser Flug endete zwar in Miami, aber unser Urlaubsdomizil lag weiter nördlich in West Palm Beach. Als wir am späten Vormittag dort ankamen, erschöpft von der langen Nacht im Flugzeug, schien der Strand hinter unserer Hintertür der perfekte Ort, Ruhe und Entspannung zu finden. Wir lagen fast eine Stunde im weißen Sand und planten gemeinsam die vor uns liegende Woche. Faulenzen am Strand, einfach nichts zu tun, stand ganz oben auf der Liste. Aber wir wollten uns auch vergnügen und die Sehenswürdigkeiten der Gegend besuchen. Als wir unsere Planung abgeschlossen hatten, enthielt unsere Liste Parasailing, Tiefseeangeln, eine Fahrt nach Süden auf die Keys, eine Tour mit dem Luftkissenboot durch die Everglades und einen Ausflug zu einer Alligatorenfarm.
Danach gönnten wir uns einen Imbiss an einem Kiosk am Strand, gingen dann zurück in unser Zimmer und packten aus. Unser größtes Gepäckstück war Großvaters Gitarre. Ich hätte sie am liebsten zu Hause in Idaho gelassen, doch Anna hatte darauf bestanden sie mitzunehmen, damit ich ihr nachts am Strand etwas vorspielen konnte. Nachdem ich ein paar Kleidungsstücke in den Schrank gehängt hatte, nahm ich Karl aus dem Gitarrenkasten und spielte wahllos ein Medley aus klassischen Stücken, gefolgt von einem Countrysong, den ich vor Kurzem geschrieben hatte. Dann legte ich das Instrument beiseite, um endlich etwas Schlaf zu finden.
Als ich kurz vor drei Uhr aufwachte, lag Anna zusammengerollt wie ein Baby neben mir. Neben mir am Bett stand Karl, obwohl ich mich deutlich erinnerte, ihn vor dem Einschlafen in den alten Gitarrenkasten zurückgelegt zu haben.
Hinter den Saiten der Gitarre steckte ein kleiner rosaroter Umschlag. Auf der Vorderseite stand in Annas Handschrift eingerahmt zwischen zwei Musiknoten: Zeichen wahrer Lieb e.
Hallo, lieber Ehemann! Na, wie
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