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Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
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war automatisch aufgesprungen, die Hand an der Waffe. Eines der Mädchen schrie unwillkürlich ›Papa!‹, bevor ihre Mutter es noch verhindern konnte.
    Ich ging hastig ins Wohnzimmer und horchte angestrengt. Plötzlich war es wieder da: rasselnder Husten und pfeifendes Atmen. Die Geräusche schienen aus dem Fußboden zu kommen. Ich kniete nieder, tastete über den Riemenboden und entdeckte vier lose Bretter. Elisabeth stand auf der Türschwelle und beobachtete entsetzt, wie ich die Bretter hochhob. Darunter kam ein ungefähr vierzigjähriger Mann zum Vorschein, der dort ausgestreckt auf dem feuchten Lehmboden lag.
    Ich sah lächelnd auf ihn herab, streckte die Hand nach ihm aus und half ihm behutsam aus seinem Versteck. Er schien sehr geschwächt zu sein. Seinem Husten nach zu schließen litt er an einer Lungenentzündung. Vermutlich hatte er schon zu viele Nächte in seinem feuchten Verlies verbracht. Hastig erklärte ich ihm, wer ich war und weshalb ich eigentlich zu seinem Haus gekommen war.
    Die Richters glaubten mir allerdings erst, als ich ihnen meine amerikanische Erkennungsmarke zeigte und Englisch mit ihnen sprach.
    Nachdem sich alle beruhigt hatten, setzten wir uns zum Essen an den Küchentisch. Der Vater, Abel, hatte sich eine dicke Decke um die Schultern gelegt. Aber dann ging plötzlich alles schief. Unter lautem Rufen wurde die Haustür eingetreten, und im nächsten Moment wimmelte es überall vor deutschen Soldaten.
    Offenbar hatte mich zufällig eine kleine Patrouille deutscher Soldaten entdeckt, die auf der anderen Seite der Stadt ihr Lager aufgeschlagen hatten. Ich hatte mich wohl weniger unauffällig verhalten als gedacht, sodass sie, misstrauisch geworden, mir gefolgt waren. Einer von ihnen hatte durch das Fenster beobachtet, wie ich Abel aus seinem Versteck geholt hatte.
    ›Ich fordere eine Erklärung!‹, schnarrte der Gruppenführer und zielte mit der Pistole auf mich. ›Wer sind Sie und warum helfen Sie diesem verdammten Judenpack?‹
    Das Ehepaar Richter bestritt, jüdischer Herkunft zu sein. Ich vermutete, dass nur Elisabeth damit die Wahrheit sagte.
    In der Hoffnung, eine Katastrophe zu verhindern, versuchte ich mich herauszureden: ›Ich habe den Auftrag, die Gegend nach versteckten Juden abzusuchen. Ein anonymer Hinweis hat mich hierher geführt. Und da diese Leute gerade essen wollten, habe ich mich zu ihnen gesetzt. Ich habe gesagt, wenn sie mir zu essen gäben, könnte ich sie vielleicht vor der Gaskammer retten.‹ Ich lachte verschlagen. ›Die Idioten haben mir glatt geglaubt.‹
    Alle bis auf die Richters lachten ebenfalls.
    In diesem Moment platzte die Bombe: Eine der Töchter, die außer Reichweite der Mutter an der Türe stand, sodass niemand sie rechtzeitig zum Schweigen bringen konnte, platzte heraus: ›Aber Sie haben gesagt, dass Sie Amerikaner sind.‹
    Ich versuchte, das als Scherz hinzustellen, aber diesmal hatte ich die Lacher nicht auf meiner Seite. Ein halbes Dutzend Gewehrläufe waren plötzlich auf mich gerichtet. Der Gruppenführer wollte mit vorgehaltener Pistole von mir wissen, ob das stimmte. Ich schwor wortreich, dass das Mädchen sich das ausgedacht haben müsse. Der Deutsche drehte sich um, hielt Elisabeth die Pistole an die Schläfe und forderte sie auf, die Wahrheit zu sagen.
    Ich befürchtete, dass die Familie sowieso schon todgeweiht war. Dennoch mochte ich nicht einfach zusehen, wie das Mädchen vor den Augen der Mutter wegen meiner Lüge erschossen wurde. Ich richtete mich zu meiner vollen Größe auf und erklärte in meinem besten Englisch, dass ich stolz sei, ein amerikanischer Soldat zu sein.
    Gelegentlich war es schon vorgekommen, dass amerikanische Soldaten das Glück hatten, auf deutsche Soldaten zu treffen, die mit den Alliierten sympathisierten, und unbehelligt blieben. Ich hätte in diesem Moment viel darum gegeben, zu diesen Glücklichen zu gehören. Aber diesmal lachten die deutschen Soldaten nur, beschimpften mich als Amischwein und spuckten mir ins Gesicht.
    Als sie sich abreagiert hatten, durchsuchten sie Herrn Richter nach Papieren. Es dauerte eine gute halbe Stunde und mehrere Anrufe bei Vorgesetzten in Linz, bis sie alle Dokumente beisammenhatten. Diese bestätigten, dass Abel Richter nicht nur Jude, sondern ein ehemaliger Professor aus Wien war, der sich seit Kriegsbeginn auf der Flucht vor den Nazis befand. Außerdem gehörte das Haus in Windhaag zu einem Netzwerk sicherer Häuser, die den sogenannten Feinden des Naziregimes Schutz

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