Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieblingslied: Roman (German Edition)

Lieblingslied: Roman (German Edition)

Titel: Lieblingslied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.A. Milne
Vom Netzwerk:
ernst, Anna. Ich muss wissen, ob du noch da bist. Bist du noch da, Liebling? Kannst du mich hören? Anna …? Ich will mit dir reden. Ich brauche dich. Bitte, wenn du mich hörst, gib mir nur ein winziges Zeichen.«
    Ich bin eine vernünftige Person … denke ich jedenfalls. Aber es gibt Augenblicke, da wandelt jeder auf einem schmalen Grat über dem Abgrund. Manchmal, wenn mir klar wurde, wie allein ich in diesem Zimmer war, war ich nahe daran, mich zu verlieren. Anna hörte keinen Ton von dem, was ich sagte. Ich redete nicht nur mit einer Wand. Ich musste annehmen, dass da auf der anderen Seite gar niemand mehr war.
    Später an diesem Vormittag bestätigten die Schwestern mir, dass Anna noch immer ganz unten auf der Komaskala rangierte. Keine Pupillenreaktion, keine verbale Reaktion, keine Reaktion des Bewegungsapparats. Aber um das festzustellen, brauchte man kein Mediziner zu sein, fand ich.
    Irgendwann fiel mein Blick auf Großvaters Holzkiste auf dem Tisch, und ich beschloss, sie zu öffnen; teils aus Neugier, teils aus dem Schuldgefühl heraus, meinen Großvater bei seinem Besuch ungerecht behandelt zu haben. Er war nur gekommen, um zu helfen. Ob es nun meine Erschöpfung oder das übermächtige Gefühl der Hilflosigkeit gewesen war, jedenfalls hatte ich meinen Frust unfairerweise an ihm ausgelassen. Während des restlichen Tages las ich Anna aus seinen Tagebüchern vor; immer auf der Suche nach dem Stein der Weisen, den Großvater mir mit seinen Andeutungen versprochen hatte. Der Text entsprach fast wörtlich dem, was ich einige Nächte zuvor gehört hatte. Zusätzlich enthielt er jedoch einige Details über den Völkermord in Mauthausen, die ich mir gern erspart hätte. Trotz aufmerksamer Lektüre konnte ich dem geschriebenen Text nicht mehr abgewinnen als dem gesprochenen. Natürlich waren seine Ausführungen bewegend und fesselnd. Aber abgesehen davon, dass jeder sein Päckchen an Leid und Kummer zu tragen hatte, konnte ich den Erzählungen keinerlei Einsichten entnehmen.
    Ich fragte Anna nach ihrer Meinung, doch sie war ebenfalls ratlos.
    Am späteren Abend schaltete ich mein Handy wieder ein. Ich hatte ein halbes Dutzend neuer Kurzmitteilungen erhalten – einige von Jessica, die wissen wollte, ob ich das mit der Kündigung ernst meinte, eine von Großvater, der mir mitteilte, dass er wohlbehalten zu Hause angekommen war, und den Rest von Hope, die sich erkundigte, ob sie nun endlich ihre Mutter besuchen dürfe.
    Hope war die Einzige, mit der ich reden wollte. Ich wählte Stuarts Nummer.
    »Burke, Heather Burke«, meldete sich meine Schwägerin.
    »Hallo, Heather. Ethan hier. Wie geht es Hope?«
    »Oh gut. Sie und die Jungs sitzen gerade im Jacuzzi. Hope ist begeistert.«
    »Kann ich mir denken. Soll ich später noch mal anrufen? Wenn sie aus dem Wasser sind?«
    »Unsinn! Wir haben ein schnurloses Telefon. Ich bin schon auf dem Weg zum Badezimmer. Augenblick noch … Hope, dein Vater ist am Telefon.«
    Im Hintergrund ertönte ein gedämpftes »Hurra!«, gefolgt von Wasserplanschen. Dann war Hope in der Leitung: »Dad?«
    »Na, wie geht’s meiner Lieblingstochter?«
    »Ich bin deine einzige, falls du das vergessen hast«, konterte sie.
    »Genau. Und du wirst es immer bleiben.«
    »Dad?«
    »Ja?« Ich wusste, was kommen musste.
    »Kann ich jetzt Mami besuchen?«
    »Nein, Häschen. Der Arzt sagt Nein. Aber vielleicht bald. In einer Woche … oder so … vielleicht.«
    »Aber ich will zu ihr.« Jedes Kind gerät von Zeit zu Zeit in Opposition zu den Eltern. Jetzt war Hope offenbar entschlossen, sich auf die Hinterbeine zu stellen.
    »Das weiß ich. Aber … der Arzt ist dagegen.«
    »Aber ich bin dafür!«
    »Tut mir leid, Hope.«
    »Aber waaaaruuum ?«
    »Einfach … darum.«
    »Das ist nicht fair! Warum darfst du zu ihr und ich nicht?«
    »Ich weiß, Kleines. Aber hier ist es sehr ruhig. Ich glaube, Kinder, die herumrennen und Krach machen, sind nicht erwünscht. Sie stören die Patienten.«
    Hope hörte augenblicklich auf zu jammern. »Ich kann sehr ruhig und leise sein.«
    »Hope, die Antwort ist Nein.«
    Hope akzeptierte die Antwort als endgültig und gab auf. »Okay, Dad.«
    »Hast du Spaß in Fresno?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.
    Das heiterte sie mehr auf, als ich erwartet hatte. Vielleicht sogar mehr, als ich es mir wünschte. »Ja. Ich hatte ganz vergessen, was für coole Sachen die hier haben. Heute sind wir schon auf dem Trampolin gesprungen und im Pool geschwommen. Und weißt du?

Weitere Kostenlose Bücher