Liebst du mich wirklich, Raoul
Deshalb haben wir sie ebenfalls in Ihre Tasche gesteckt. Ich hoffe, es ist Ihnen recht.
M. Henderson
Da habe ich doch noch etwas von Tante Kezia geerbt, dachte Rhianna sarkastisch.
Zögernd öffnete sie die Mappe und nahm den Stapel Fotos heraus. Eine ziemlich merkwürdige Zusammenstellung von Bildern, die offenbar alle im Umfeld von Penvarnon House aufgenommen worden waren. Ungünstige Winkel und teils verschwommene Objekte verrieten, dass es sich um Schnappschüsse handelte.
Auf einigen war Moira Seymour zu erkennen, aber hauptsächlich fand Rhianna einen Mann darauf, der Raoul zum Verwechseln ähnlich sah – nur um einiges älter. Es war sein Vater Ben Penvarnon.
Die nächste Fotografie zeigte eine Frau, die mit gesenktem Kopf zusammengesackt auf der Terrasse in einem Stuhl saß. Erst auf den zweiten Blick bemerkte Rhianna, dass es sich dabei um einen Rollstuhl handelte.
Wie unangemessen von Tante Kezia, ihre Arbeitgeberin in dieser Haltung aufzunehmen, dachte sie.
Die restlichen Bilder fingen Moira Seymour ein, meistens aus einiger Entfernung und relativ unscharf. Sie strahlten etwas Seltsames aus, fand Rhianna, konnte aber nicht genau bestimmen, was sie daran störte.
Dann fiel ihr plötzlich ein Zettel in die Hände. Neugierig faltete sie ihn auseinander und erkannte, dass es sich um einen Scheck über dreiundzwanzig Pfund handelte, ausgestellt auf K. Trewint und unterschrieben von Benjamin Penvarnon. Er war mehr als fünfundzwanzig Jahre alt und wurde offensichtlich niemals eingelöst.
Erstaunt betrachtete Rhianna das kleine Stück Papier. Wie konnte ihre Tante so etwas Wichtiges einfach übersehen? Sie hätte jeden Scheck zu ihren Gunsten sofort eingelöst, selbst wenn er weniger als ein Pfund wert war.
Mit gemischten Gefühlen packte Rhianna die Fotos und den Scheck wieder zusammen und nahm sich vor, den ganzen Umschlag spätestens in London zu entsorgen. Jetzt brauchte sie zu allererst einmal eine Dusche.
Das heiße Wasser half ihr dabei, die innere Anspannung abzubauen, doch der Effekt sollte nicht lange anhalten. Denn als sie die Duschkabine verließ, bemerkte sie erschrocken, dass Raoul seelenruhig in der Tür stand und auf sie wartete.
Abrupt blieb sie stehen und wusste im ersten Moment nicht, wie sie ihre Blöße bedecken sollte. Seinem Blick nach zu urteilen, war es dafür ohnehin zu spät, also begnügte sie sich damit, wenigstens einen Teil ihrer Nacktheit mit den Händen zu verbergen.
„Du bist so schön“, flüsterte er heiser und bewegte sich geschmeidig wie ein Panther vorwärts. Dann nahm er ein flauschiges Handtuch aus dem Badezimmerregal und begann in aller Ruhe, Rhianna gründlich abzutrocknen.
„Wie kannst du das tun?“, fragte sie mit schwacher Stimme, in der nur leichter Protest mitklang. Die langsamen Bewegungen seiner Hände auf ihrem Körper waren selbst durch den Stoff des Badehandtuchs kaum zu ertragen. Sehnsüchtig starrte Rhianna auf Raouls nackten Oberkörper und atmete seinen männlichen Duft ein. „Du verabscheust mich doch?“
„Du weißt genau, es gibt da unerledigte Dinge zwischen uns“, erklärte er mit einem rätselhaften Augenzwinkern. „Und was immer du für Simon Rawlins gewesen sein magst, es kann mich nicht davon abhalten, dich zu begehren. Ich habe es, weiß Gott, versucht.“
Ich muss ihm die Wahrheit sagen, bevor es zu spät ist! schoss es ihr durch den Kopf.
„Bitte“, flehte sie. „Raoul, bitte, du musst mir zuhören! Du verstehst das Ganze nicht richtig.“
Doch er hob sie auf seine Arme und erstickte ihren Protest mit einem heißen Kuss. Offenbar wollte er ihren Bedenken nicht den geringsten Raum geben, damit der erotische Zauber des Augenblicks sie beide forttragen konnte.
Behutsam legte Raoul Rhianna auf die schneeweiße Bettdecke und kniete sich über sie. Das Handtuch landete auf dem Fußboden. Mit wenigen schnellen Griffen entledigte er sich seiner Hosen und streckte sich nackt neben Rhianna aus.
„Ich musste das Thema Simon aufbringen“, begann er ruhig, „damit ich ihn ein für alle Mal aus deinem Gedächtnis streichen kann. Du kannst nicht in der Vergangenheit leben, Rhianna. Das werde ich dir beweisen und dich damit ein Stück befreien. Dies hier ist die kostbare Gegenwart, und wichtig ist darüber hinaus nur die Zukunft.“
„Du liegst so falsch“, sagte sie heiser. „Es gibt keine Zukunft ohne den Mann, den ich liebe.“
Seine Miene wurde starr. „Das mag schon sein, aber ich kann es wenigstens versuchen.“
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