Liebst du mich wirklich, Raoul
Mit der flachen Hand strich er über ihren Bauch. „Keine Sorge, ich werde ganz vorsichtig sein!“
„Nein“, rief sie verwirrt – hin und her gerissen zwischen Verlangen und Panik. „Da ist noch etwas, das ich dir erzählen muss. Bitte lass mich los!“
„Ja“, raunte er. „Das werde ich, versprochen. Später. Wir können uns auch nachher unterhalten.“
Damit drückte er sie sanft zurück in die Kissen und verteilte zarte Küsse auf ihrem Dekolleté. Vergeblich versuchte Rhianna, einen klaren Gedanken zu fassen und Raoul verständlich zu machen, dass er sich irrte. Doch als er sich mit der Zunge über ihren Bauch weiter nach unten bewegte, entglitt Rhianna jeder Zugriff auf ihren Verstand. Alle Missverständnisse waren ihr in diesem Augenblick egal, und sie versank in einer neuen, wundervollen Erfahrung.
All die langen Jahre hatte sie sich nach genau diesem Moment der absoluten Intimität mit Raoul gesehnt. Sie verschmolz mit ihm, wie sie es sich tausendmal erträumt hat.
„Es ist wie ein Pakt“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Ich erlöse dich von deiner Sehnsucht nach Simon, und du mich von meiner Sehnsucht nach dir. Vielleicht finden wir danach beide inneren Frieden …“
Doch seine Worte erreichten ihr Bewusstsein nicht mehr. Rastlos bewegte sie sich unter ihm, getrieben von ihrem Instinkt und dem Wunsch nach Erlösung, und als es endlich so weit war, schrie sie erleichtert auf und krallte sich fest in Raouls starke Schultern. An seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, wie sich der Gipfel seiner Lust auch in ihm entfesselte.
Allerdings las sie in seinen Augen auch noch etwas anderes: Entsetzen.
„Meine Güte“, wisperte er und starrte auf die Tränen, die Rhianna unbemerkt aus den Augenwinkeln gelaufen waren. „Du hast das noch nie zuvor getan!“ Es war nicht als Frage gemeint. „Simon war nie dein Liebhaber, und du bist auch nicht schwanger mit seinem Kind. Das ist unmöglich, denn bis eben bist du … Jungfrau gewesen.“
„Es tut mir leid“, brachte sie mühsam heraus. „Es tut mir so leid!“
„Trotzdem hast du zugelassen, dass ich praktisch über dich herfalle? Wieso?“
„Weil ich dich wollte“, antwortete sie schnell. Weil ich dich liebe, fügte sie in Gedanken hinzu. Weil ich es immer getan habe, und es immer tun werde.
Aber diese Worte würde Raoul nicht hören wollen, und genau deshalb blieben sie auch ungesagt. Rhianna atmete tief durch. „Ich habe mir vor langer Zeit vorgenommen, mein erstes Mal mit jemandem zu erleben, zu dem ich mich schon immer hingezogen fühle, und der weiß, was er tut. Du passt perfekt ins Bild und hast dich sogar um mich bemüht. Das kannst du wohl kaum abstreiten. Also bist du doch gar nicht über mich hergefallen. Ich wollte es wirklich selbst, das musst du mir glauben.“
„Hast du dir mal Gedanken über die Konsequenzen von ungeschütztem Sex gemacht? Du könntest schwanger werden, auch von diesem einen, ersten Mal!“
Sie zuckte zusammen. „Hör auf damit! Du hättest ja auch daran denken können!“
„Meine Güte!“ Er raufte sich die Haare. „Das hier ist doch nicht irgendeine deiner Fernsehrollen, die man plant und einfach durchspielt. Warum hast du mir nicht wenigstens die Wahrheit über Simon Rawlins gesagt? Du hast mich in dem Glauben gelassen, du hättest eine Affäre mit ihm.“
Beschämt wandte sie sich von ihm ab. „Ich habe ja versucht, es dir zu erklären. Aber du wolltest unbedingt glauben, dass ich ein Verhältnis mit Simon habe“, erklärte sie tonlos. „Meine Mutter hat deiner Mutter den Mann geraubt. Ich musste also diejenige sein, die der Freundin ihren Mann wegnimmt. Die Vergangenheit wiederholt sich, und alles passt zusammen.“
„Nein, Rhianna, das macht doch überhaupt gar keinen Sinn! Du stehst da und lässt dich von mir als Simons Geliebte bezeichnen, ohne dich auf irgendeine Weise zu verteidigen! Was sollte das?“ Kopfschüttelnd rieb er sich das Kinn. „Du behauptest, du hättest dich schon immer zu mir hingezogen gefühlt. Trotzdem bist du stets bemüht gewesen, mir aus dem Weg zu gehen.“
„Die Geschichte unserer Eltern stand uns im Weg. Wenn jemals herausgekommen wäre, dass wir beide etwas miteinander haben, wären alle alten Gerüchte über meine Mutter wieder ans Tageslicht gezerrt worden. Und was immer du auch von ihr halten magst, ich will ihr Ansehen nicht beschmutzen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Und auch deine Mutter hat es nicht verdient, denn sie leidet noch heute darunter.
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