Liebst du mich wirklich, Raoul
„Denn je schneller wir dort sind, desto früher kann ich diesen ganzen Schwachsinn hinter mir lassen und in mein eigentliches Leben zurückkehren.“
„Wir haben es nicht eilig und machen daher keine volle Fahrt“, erklärte er etwas konsterniert. „Dennoch sollten wir morgen früh in Puerto Caravejo einlaufen.“
„Nie gehört. Gibt es dort einen Flughafen?“
„Nein, aber ein paar hervorragende Restaurants. Aber du kannst später von Oviedo aus nach Gatwick fliegen.“ Er seufzte. „Nachdem wir deine Befürchtungen nun ausgeräumt haben, können wir essen?“
Eigentlich wollte Rhianna vorgeben, nicht hungrig zu sein, und sich in ihre Kabine zurückziehen, doch Enriques Kreationen erwiesen sich ein weiteres Mal als unwiderstehlich. Als Vorspeise gab es ein cremiges Gemüserisotto mit grünen Spargelspitzen und Zuckererbsen, danach gegrillten Fisch mit saftigem Kartoffelgratin und zum Nachtisch frisches Obst.
Später sah Raoul auf seine Armbanduhr. „Mittlerweile müssten sie schon wieder von der Kirche zurück sein“, murmelte er. „Bestimmt sitzen sie an der Tafel für das Festtagsmenü, und die ersten Reden werden gehalten. Sollen wir beide einen Toast aussprechen?“
„Auf das glückliche Paar?“, fragte Rhianna sarkastisch und schüttelte den Kopf. „Wohl kaum.“
Er blieb für einen Moment stumm, und sein Mund war nur noch eine schmale Linie. „Ja, das passt wohl wirklich nicht“, presste er schließlich hervor. „Dann trinken wir einfach auf die Ehe“, schloss er und nahm einen tiefen Schluck.
„Vergib mir, wenn ich auch dem nicht zustimme.“
Sein Blick wurde düster. „Er ist weg, Rhianna. Du hast ihn endgültig verloren. Es ist an der Zeit, sich damit abzufinden.“ Er atmete zweimal tief ein. „Möchtest du noch einen Kaffee trinken?“
„Nein danke.“ Sie stand auf. „Ich gehe für eine Weile nach unten, dort ist es kühler.“
Außerdem wollte sie mit ihrem Kummer und ihrem Schmerz über alle verpassten Chancen ihres Lebens allein sein …
8. KAPITEL
Übermütig wie Teenager waren Raoul und Rhianna durch ihre Wohnungstür im ersten Stock getaumelt, eng ineinander verschlungen und kichernd. Mit beiden Händen umfasste er ihre Brüste, und sein Mund verließ ihren wenn überhaupt nur für Sekunden.
„Rhianna …“ Heiser stieß er ihren Namen hervor, und dann – wie ein leises Echo – hörte sie ihren Namen noch einmal direkt hinter sich.
Es war, als würde die Welt stillstehen. Fassungslos starrte sie die schmale Gestalt im Türrahmen zum Wohnzimmer an. Die Haare waren zerzaust, und das Gesicht vom Weinen geschwollen.
„Donna“, rief Rhianna atemlos. „Was machst du denn hier?“
„Ich musste zurückkommen. Ich weiß nicht, wo ich sonst hingehen soll.“ Die zierliche Frau schluchzte. „Oh Rhianna, es tut mir so leid. Bitte versuch, mich zu verstehen!“
Dann fiel ihr Blick an Rhianna vorbei auf Raoul. „Ich … ich dachte, du wärst allein. Mir war nicht bewusst, dass …“
„Mach dir keine Gedanken.“ Jemand anderes spricht mit meiner Stimme, dachte Rhianna. Jemand, der abgeklärt und selbstsicher klingt.
Dabei fühlte sie sich, als müsste sie sterben, so groß waren ihre Enttäuschung und ihr Schmerz.
„Donna, darf ich dir Raoul Penvarnon vorstellen? Ein Cousin meiner Freundin Caroline Seymour, von der ich dir mal erzählt habe.“ Sie schluckte. „Raoul, dies ist Donna Winston, eine Schauspielkollegin vom Set bei Castle Pride. Bis vor Kurzem war sie meine Untermieterin, aber dann … hat sie etwas anderes gefunden.“
„Was nicht gerade gut geklappt hat“, stellte er trocken fest. Ihm war anzumerken, wie sehr ihm diese unerwartete Störung missfiel. Frustriert fuhr er sich durch die Haare. „Ich gehe dann wohl besser. Kann ich dich morgen anrufen?“
„Klar.“ Hastig schrieb Rhianna ihm ihre Telefonnummer auf.
„Ich mach mal Kaffee“, sagte Donna zaghaft und verschwand in die Küche.
Raoul schloss Rhianna in seine Arme und sah ihr traurig in die Augen. „Ich sehe schon. Manchmal geht das Drama nach Drehschluss weiter. Es geht bestimmt um Ärger mit einem Mann.“
„Scheint so“, sagte sie ausweichend und schüttelte den Kopf. „Ach Raoul, es tut mir so leid!“
„Mir auch.“ Sein Kuss war warm und zärtlich. „Aber unsere Zeit wird noch kommen, Rhianna. Das verspreche ich dir.“
Selbst damals, als alles in Stücke zerfiel, glaubte sie noch an seine Worte.
Gleich am nächsten Tag rief Raoul Rhianna an. „Wie geht es
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