Liebst du mich wirklich, Raoul
wesentlich schlimmer waren als jene, die Raoul in die Hände fielen“, begann Esther Penvarnon. „Ich war ihm untreu, und das hat ihn sehr mitgenommen. Deine Mutter hat lediglich vorübergehend in seiner Londoner Wohnung gewohnt. Das schrieb er mir kurz vor seinem Tod, und ich glaube ihm. Grace hat von sich aus gekündigt, weil sie die Wahrheit ahnte und keinen Anteil an diesem Betrug haben wollte. Dafür schätzte sie Ben zu sehr.“
Mit zitternder Hand ordnete sie die Falten ihrer Bluse. „Und Ben war in der Tat ein toller Mann: reich, dynamisch und extrem attraktiv. Er zog Frauen an wie ein Magnet, aber er passte einfach nicht zu mir. Ich bin immer ein stiller Mensch gewesen, habe im Schatten meiner Schwester gelebt. Und als sich Ben unerwartet in mich und nicht in sie verliebte, fühlte ich mich geschmeichelt und redete mir ein, ich müsste ihn ebenso verehren.“ Traurig blickte sie in die Ferne. „Aber der Ehealltag hat mir stark zugesetzt, und so habe ich mich praktisch in die Krankheit geflüchtet. Ben konnte nicht ertragen, was ich alles auf mich nahm, nur um ihm aus dem Weg zu gehen. Nachdem er weg war, bemühten wir drei uns, die Fassade aufrechtzuerhalten. Moira gefiel die Rolle der Hauslady viel zu sehr, um eine Scheidung ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Und als Kezia Trewint anfing, ihr Lügennetz zu spinnen, haben wir dem nicht widersprochen.“
„Aber sie hat doch die Fotos gemacht“, warf Rhianna ein, „und sie Ihrem Ehemann vorgelegt.“
„Weil sie ihn liebte und regelrecht von ihm besessen war. Das arme Ding hat mit seiner Dankbarkeit gerechnet, und als sie erfuhr, dass Grace für ihn arbeitete, verwandelte sich diese Leidenschaft in Hass für ihre Schwester. Und ich habe das alles zugelassen, weil ich mir einredete, durch die Wahrheit wäre nichts gewonnen. Moira und Francis retteten ihre Ehe und bekamen sogar ein Kind. Da bin ich bei der Geschichte der betrogenen Ehefrau geblieben.“
Beinahe liebevoll sah sie Rhianna an. „Keiner von uns hat damit gerechnet, dass du irgendwann unsere Schuld tragen musst. Mein Sohn liebt dich so sehr, dass er darauf besteht, die Vergangenheit zu bereinigen und die Ehre und deinen Glauben an deine Mutter wiederherzustellen. Deshalb bin ich hier, um dich zu fragen, ob du mir vergeben kannst. Ob die Möglichkeit besteht, dass du den Kummer vergangener Zeiten irgendwann vielleicht vergessen kannst.“
Lange sagte Rhianna kein Wort, doch schließlich sagte sie ruhig: „Ich bin dankbar dafür, dass die Ehre meiner Mutter gerettet ist, aber weiter vermag ich nicht zu gehen. Sehen Sie, mein Leben ist ein einziger Scherbenhaufen.“ Ihre Knie zitterten, als sie aufstand. „Meine Karriere ist praktisch ruiniert, und ich habe es nicht geschafft, meine beste Freundin vor unendlichem Leid zu schützen. Sie wird vermutlich nie wieder ein Wort mit mir reden. Und meine zweifelhafte Beziehung zu Ihrem Sohn wird von der Presse in den Dreck gezogen. Um es kurz zu machen, ich habe sogar noch mehr falsch gemacht als meine Tante. Und ja, ich kann Ihnen vergeben. Das ist leicht, da die Betroffenen längst von uns gegangen sind. Aber wer verzeiht mir? Niemand. Wie soll ich das jemals ertragen?“
Hinter ihr erklang eine tiefe Stimme. „Mit mir an deiner Seite, Liebste. Wir werden das durchstehen.“
Erschrocken wirbelte sie zu Raoul herum. „Woher weißt du, wo ich wohne?“
„Das wusste ich immer“, sagte er schlicht. „Glaubst du wirklich, ich hätte dich vor fünf Jahren aus Penvarnon fortgehen lassen, ohne mich zu vergewissern, dass du gut und sicher aufgehoben bist? Und als ich heute die Pressemeute vor deiner Wohnung sah, war mir klar, wo du Schutz suchen würdest.“
Schweigend erhob sich Esther Penvarnon und verließ den Raum. Rhianna wollte ihr folgen, doch Raoul hielt sie zurück und sah ihr fest in die Augen. „Liebling, du bist meine zweite Hälfte, und ich will nicht mehr ohne dich sein. Gewöhn dich an diesen Gedanken!“
„Wie kann ich das?“ Verzweifelt kämpfte sie mit den Tränen. „Wenn die Journalisten dich hier finden, zerreißen sie dich erneut in der Luft.“
„Womit denn? Einer weiteren O rgie ?“, hakte er grinsend nach. „Das klingt doch toll! Ich wünschte, ich könnte mich daran erinnern. Vielleicht arrangieren wir mal etwas?“
„Das ist nicht lustig“, schimpfte sie halbherzig, beruhigte sich jedoch etwas.
„Als ich morgens ohne dich im Bett aufwachte, habe ich einen Entschluss gefasst“, erklärte Raoul. „Gleich
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