Liebster Mitbewohner
mit deinen neuen Erkenntnissen sein, möglichst schnell über Leon hinwegkommen und dir sobald als möglich eine neue Bleibe suchen.“
Ich lehnte mich nachdenklich in meinem Stuhl zurück. „Klingt vernünftig.“
„Du magst mich also nicht, weil ich ein bisschen unentschlossen bei meiner Berufswahl bin?“ Ich unterdrückte den Reflex, mir erschrocken die Hand vor den Mund zu schlagen. Das hatte ich doch gar nicht sagen wollen. Aber diese Art, wie Felix auf seinem Bett lag, das Gesicht von mir abgewandt, und vorgab zu lesen , zehrte an meinen Nerven. Dazu der Umstand, dass er die Tür zwar nicht abgesperrt hatte, mich aber, seit ich hereingekommen war, keines einzigen Blickes gewürdigt hatte.
Ich wartete und wartete, doch bekam keine Antwort.
Wenn ich jetzt einfach den Mund hielt, wäre es beinahe, als hätte ich nie etwas gesagt. Ich bekam quasi die Chance, meinen Ausrutscher wieder rückgängig zu machen. „So hätte ich dich gar nicht eingeschätzt. Jemanden nur nach dem Hörensagen zu beurteilen ist einfach oberflächlich und dumm.“ Manche Chancen waren wohl einfach dazu da, ungenutzt zu bleiben.
„Oberflächlich und dumm ist es, von Studium zu Ausbildung und zum nächsten Studium zu hüpfen, ohne sich jemals Gedanken zu machen, wo das enden soll!“ Felix war herumgefahren und starrte mich an. Die Kälte des letzten Tages war aus seinen Augen gewichen und hatte heißem Zorn P latz gemacht.
Ich war so erschrocken, dass ich nicht mal über eine Erwiderung nachdenken konnte.
„Dein Leben ist schön einfach, oder? Wenn irgendwas gerade keinen Spaß mehr macht, wird eben etwas anderes angefangen.“
Ich fing mich nur langsam wieder und sagte das erste, was mir in den Sinn kam: „Kann es sein, dass du neidisch bist?“
Felix sprang auf. Sein ganzer Körper schien unter Spannung zu stehen. „Sicher, ich beneide alle unsere ehemaligen Klassenkameraden, die jetzt immer noch im dritten Semester sind, weil sie fünfmal den Studiengang gewechselt haben. Und die, die sich vom Geld ihrer Eltern ein Auslandssemester spendieren lassen und das dann auf zwei Jahre ausdehnen. Ganz besonders beneide ich euch dafür, dass ihr in zehn Jahren immer noch auf der Stelle treten werdet!“
Instinktiv wich ich auf meinem Sofa bis zur hinteren Lehne zurück. Doch den Mund konnte ich nicht halten. „ Ja, man merkt wirklich, wie zufrieden du mit deinem Leben bist.“
Felix griff sich sein Buch und schleuderte es quer durchs Zimmer. Mit einem dumpfen Knall krachte es gegen die Wand und fiel zu Boden.
Ich hatte reflexartig den Kopf eingezogen, obwohl Felix das Buch nicht mal in meine Richtung geworfen hatte. Als ich wieder aufblickte, sah ich gerade noch, wie er an mir vorbeistürmte.
Die Zimmertür knallte mit einem lauten Krachen zu.
Ich saß noch immer am selben Platz, starrte noch immer auf die geschlossene Tür, als Daniel wenig später seinen Kopf ins Zimmer steckte. „Lebst du noch?“
„Sehr witzig“, fauchte ich. „Lass dir mal einen neuen Spruch einfallen.“ Ich stand auf. Meine Beine zitterten.
„Das war eine durchaus ernst gemeinte Frage. Hast du eine Ahnung, wie sich das in meinem Zimmer angehört hat? Dieses Poltern, dann die knallende Tür. Was ist denn passiert?“
Ich lehnte mich gegen die Sitzlehne des Sofas, um meinen schwächelnden Beinen etwas Erholung zu gönnen. „Dein Freund hat einen Schaden. Aber so was von.“
Daniel zog die Augenbrauen zusammen. „Maja…“, sagte er streng. Es fehlte nur noch der erhobene Zeigefinger, um das Bild perfekt zu machen. „Du hast ihn darauf angesprochen, was ich dir erzählt habe, oder?“
Ich verschränkte die Arme vor der Brust.
„Und wo ist er jetzt?“
„Denkst du allen Ernstes, er hätte mir seine weiteren Pläne für den heutigen Abend auseinandergesetzt?“
„Das ist nicht lustig. Ich glaube, ich hab e die Wohnungstür zugehen gehört, kurz nachdem eure Zimmertür geknallt hat.“
Ich rollte mit den Augen. Langsam wurde das Gespräch aber wirklich albern. „Oh nein , er hat die Wohnung verlassen. Hast du ihm auch eingeschärft, nicht mit Fremden mitzugehen?“
„Maja!“
„Daniel.“ Ich stellte mich vor meinen Kindheitsfreund, legte ihm die Hände auf die Schultern und sah ihm fest in die schokobraunen Augen. „Felix ist erwachsen. Und ich bin fast sicher, dass er schon mal alleine draußen unterwegs war. Er wird es überleben.“
Gegen sieben bekam ich eine SMS von Elena.
Stefan hat heute keine Lust. Wir holen
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