Liebster Mitbewohner
überdurchschnittlich häufig verwendete, aber es schien mir die einzig angemessene Reaktion. Wieder einmal konnte ich Felix‘ Themen- und Stimmungswechsel nicht ganz folgen.
Er fuhr fort: „Ich will, dass wir trotz allem, was die letzten Wochen seit deinem Einzug war, den Kontakt nicht verlieren. Ich meine, falls ich wirklich nach München gehe.“
„Das will ich auch.“ Ich seufzte und überlegte, wie ich das, was ich auf dem Herzen hatte, für Felix verständlich formulieren konnte. „Aber ich habe momentan das Gefühl, dass so viel zwischen uns steht.“
„Zum Beispiel?“
Dies war also der Moment, wirklich ehrlich zu sein. Felix saß hier und war offensichtlich endlich bereit, über alles zu reden. Warum wünschte ich mir dann plötzlich, wir könnten einfach alles unausgesprochen unter den Tisch fallen lassen? „Na ja… einige Dinge sind vielleicht wirklich zu unerheblich, um sie auszudiskutieren.“
„Dann konzentrier dich auf die nicht so unerheblichen Dinge.“
Was war denn jetzt los? Da gab ich Felix quasi eine Du-kommst-aus-dieser-Unterhaltung-frei-Karte und er zerriss sie einfach in winzige Fetzen. Zu allem Überfluss blickten mich die blaugrünen Augen auch noch ehrlich interessiert an.
„ Also, zum Beispiel, dass du mir noch immer keine Antwort auf die Frage gegeben hast, ob du nun mit Vorsatz von hier weg willst oder nicht.“
In Felix‘ Blick änderte sich etwas. Und ich war mir fast sicher, dass er sich gerade mental selbst in den Hintern trat, weil er vor einer Minute noch auf dieser Unterhaltung bestanden hatte. „Ich habe dir doch gerade erklärt, dass das in München eine super Chance ist. Und ich hatte den Eindruck, dass du mir glaubst.“
„Ich glaube dir. Aber das beantwortet nicht meine Frage. Hast du dich überhaupt auch hier in der Stadt beworben?“
Unter dieser direkten Frage, die keinen Spielraum für Interpretationen ließ, wand Felix sich sichtlich. Und ich kannte seine Antwort schon, bevor er sie verbalisierte: „Ich hatte es noch vor.“
„Und du lügst schon wieder.“
Sein Blick sagte deutlich, dass ich Recht hatte.
„Warum? Ich meine, du sitzt hier und heuchelst mir etwas von wegen Freunde-bleiben vor . Aber in Wahrheit tust du alles, um von hier wegzukommen.“ Ich konnte meine Stimme nur mühsam in einer angemessenen Lautstärke halten.
„Sei mal ehrlich: Wolltest du vielleicht für immer so wohnen, wie wir es gerade tun? Zu zweit in einem nicht mal zwanzig Quadratmeter großem Zimmer?“
Wenn es nach mir gegangen wäre, ja. „Und das ist ein Grund, dich nur in Städten zu bewerben, die mindestens 300 Kilometer weit weg liegen? Ich weiß, es klingt utopisch, aber du hättest dir auch einfach hier eine neue Wohnung suchen können.“
„Ich kann dir das nicht erklären!“, rief Felix plötzlich. „Tut mir leid, aber ich hab einfach das Gefühl, dass es für mich das Richtige ist, von hier wegzugehen. Und mir ist klar, dass du es nicht verstehen kannst, wenn ich es dir nicht erkläre. Aber es geht einfach nicht. Und du kannst das entweder akzeptieren und trotzdem mit mir befreundet bleiben oder den Kontakt zu mir abbrechen.“
Ich war so wütend, dass meine Hände zitterten. Ich ball te sie zu Fäusten.
„Ich wünsche mir sehr, dass du ersteres tust.“ Er sah mir in die Augen.
Meine Wut verpuffte augenblicklich. „Du bist kein einfacher Mensch. Und es ist nicht wirklich angenehm, mit dir befreundet zu sein. Ich hoffe, das weißt du.“
Er grinste. „Ich werd’s mir merken.“
Ich grinste ebenfalls. So sahen wir uns eine Weile an, bis wir beide peinlich berührt den Blick abwandten.
„War’s das? Oder gibt es noch mehr Dinge mit Klärungsbedarf?“
Ich starrte ihn ungläubig an. „Mutig von dir. Bist du sicher, dass du die Frage nicht lieber zurücknehmen willst?“
Felix schüttelte entschlossen den K opf. „Ich sag dir jetzt mal was. Etwas, das ich sicher bereits in einer halben Stunde bereuen und das ich niemals wiederholen werde: Ich weiß, dass du gerade ein großes Zugeständnis gemacht hast. Obwohl du nicht verstehst, warum ich von hier weg will, akzeptierst du es einfach. Das ist nicht gerade deine Art. Und ich weiß, dass du es tust, weil dir unsere Freundschaft wichtig ist. Dafür bin ich dir sehr dankbar.“ Während dieser kleinen Rede hatte Felix nicht einmal den Blick gehoben. Er hatte mit der Tischplatte gesprochen. Und noch immer hielt er den Blick stur gesenkt. Was vielleicht besser war. So konnte ich mir
Weitere Kostenlose Bücher