Liebster Mitbewohner
verriet mir, dass seine ominöse Ankündigung zumindest keine Entschuldigung beinhalten würde. „Ich habe morgen einen Termin in München.“
„Okay.“ Ich wünschte mir irgendetwas, an dem ich mich festhalten könnte. „Einen Haut- oder Zahnarzttermin?“ Ich versuchte ein Grinsen.
„Nein. Ein Vorstellungsgespräch bei einer Zeitung.“
Ich nickte. Zum Glück hatte ich seit seinem ersten Satz so etwas geahnt und mich innerlich dagegen wappnen können. „Ist doch super. Wie hast du das geschafft, so schnell?“
„Glück. Gestern habe ich über zwanzig Bewerbungen abgeschickt und heute kam dieser Anruf. Anscheinend ist die Praktikantin, die momentan bei ihnen arbeitet, schwanger. Sie sollte eigentlich noch bis zwei Monate vor der Geburt bleiben, aber jetzt sind Komplikationen aufgetreten und sie muss zu Hause bleiben. Deshalb suchen sie auf die Schnelle jemanden, der für sie einspringen kann.“
Ich nickte abermals und fragte mich, ob Felix die Wahrheit sagte. Das klang wie ein wirklich außergewöhnlich glücklicher Zufall. Vielleicht hatte sich Felix aber bewusst nur in München beworben und zog nun schon mal dorthin, darauf wartend, dass er ein Praktikum bekam. Und mir erzählte er irgendetwas von einmaliger Chance und einer Schwangeren. Ich lächelte krampfhaft. „Das ist wirklich toll. Hoffentlich klappt es.“ Ich drehte mich um und verließ das Zimmer. Keine Sekunde zu früh. Meine Beine zitterten so stark, dass ich mich in der Küche erst mal auf einen Stuhl fallen lassen musste. Ob er Daniel dieselbe Story aufgetischt hatte? Bestimmt, schließlich konnte er sich ausrechnen, dass wir darüber sprechen würden.
„Das war’s?“
Ich blickte hoch. Felix stand im Türrahmen und starrte mich wütend an.
„Was?“
„Wieso läufst du einfach weg, nachdem ich dir so eine Neuigkeit präsentiert habe?“
„Ich hab dir doch gesagt, dass ich mich für dich freue.“ Ich lehnte mich auf dem Stuhl zurück und schloss die Augen. „Und nach all dem, was die letzten Tage war, ist da wirklich nicht mehr drin. Tut mir leid.“
„Du denkst, ich lüge?“
Meine Augen flogen auf. Woher wusste er das nun schon wieder? Andererseits sah ich auch keinen Grund, es abzustreiten. Nun, da er selbst darauf gekommen war. „Es besteht meiner Meinung nach eine nicht unerhebliche Chance, dass es so ist, ja. Sei doch mal ehrlich: Du willst weg von hier, das hast du bereits klar gemacht. Da kommt die Sache mit der Münchener Zeitung schon nicht gerade glaubwürdig.“
„Es stimmt aber!“
„Okay.“
„Dann komm doch morgen mit, wenn du mir nicht glaubst.“
Ich starrte ihn an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Meinte er das ernst? Augenscheinlich ja, denn er stand noch immer wie der Fels in der Brandung im Türrahmen und hielt meinem Blick stand. Plötzlich kam ich mir vor wie die letzte Idiotin. „Ich glaube dir“, seufzte ich. „Tut mir leid.“ Ich starrte die Tischplatte an. Ganz besonders hatte es mir ein wahrscheinlich uralter Kaffeefleck angetan.
Ich hörte, wie der Stuhl neben mir über den Fußboden gerutscht wurde. Au s den Augenwinkeln sah ich, wie Felix sich darauf niederließ.
„Eigentlich…“ Er stockte, dann sagte er: „Du kannst morgen trotzdem mitkommen, wenn du willst.“
Ich sah ihn an.
Er wandte den Blick ab. „Okay, eigentlich hatte ich was anderes sagen wollen.“ Er hatte ebenfalls den Fleck auf dem Küchentisch entdeckt. „Ist ja eklig“, kommentierte er. „Macht hier eigentlich niemals jemand sauber?“
„Felix.“ Ich räusperte mich. „Du wolltest was sagen.“
„Hm- mh.“ Gedankenverloren fuhr er mit seinem Zeigefinger die Ränder des Kaffeeflecks entlang.
„ Das ist jetzt wirklich eklig“, sagte ich.
„Hast Recht.“ Mit einem Mal setzte er sich aufrecht hin und rutschte mit seinem Stuhl so weit herum, dass er mir gegenüber saß.
Ich verspürte den Drang, von ihm wegzurutschen. Stattdessen lehnte ich mich nur auf meinem Stuhl zurück und sah ihn abwartend an.
„Vielleicht hast du tatsächlich einen Grund dazu, mir nicht zu glauben. Oder vielmehr: Vielleicht habe ich dir wirklich einen Grund dazu gegeben.“
Ich biss mir auf die Unterlippe und wartete ab. Felix wirkte, als wäre er noch nicht fertig.
Er fuhr sich mit beiden Händen durch das leicht gelockte, dunkelbraune Haar und seufzte tief. „Ich will, dass wir Freunde bleiben.“ Er blickte mich erwartungsvoll an.
„Okay.“ Mir war bewusst, dass ich dieses Wörtchen heute
Weitere Kostenlose Bücher