Liebster Mitbewohner
Traumberuf. Und alles, was er tun musste, war, diesen Weg weiter zu verfolgen. Das hatte ich mir für ihn gewünscht. Nur warum konnte ich mich dann nicht richtig für ihn freuen? Es lag nicht nur daran, dass er wegzog. Da war noch etwas anderes.
„Bist du neidisch?“
Ich starrte Felix an.
Er musterte mich amüsiert. „Bist du wirklich, oder?“
„Ach was! Ich freue mich für dich!“ Oder…?
„Ist doch nicht schlimm, wenn du neidisch bist. Ich kann es sogar verstehen. Da suchst du jahrelang nach etwas, das dir langfristig Spaß macht und dich interessiert und ich hab e es vielleicht innerhalb weniger Wochen gefunden.“
Da war was Wahres dran…. Trotzdem: „I ch freue mich wirklich für dich“, wiederholte ich zum gefühlten hundertundersten Mal
„Das glaub e ich dir.“ Er seufzte.
Daniel sah stumm zwischen mir und Felix hin und her, doch hielt sich aus dem Gespräch komplett heraus.
„Du wirst mich zwar gleich hassen“, begann Felix, „aber ich sag’s dir trotzdem. Jetzt bin nämlich mal ich an der Reihe, dir einen Rat zu geben. Ich finde, du solltest Jura weiterstudieren.“
Ich blieb ganz still sitzen, weil ich mir sicher war, dass noch etwas kommen würde. Lautes Lachen zum Beispiel, oder ein „ha ha, da hab ich dich aber reingelegt“. Doch es folgte nichts dergleichen.
„Spinnst du? Ich hab e das halbe Semester geschwänzt und in zehn Tagen fangen die Klausuren an. Selbst wenn ich wollte, könnte ich das nicht mehr schaffen.“
„Dann wiederhol doch deine Kurse aus diesem Semester.“
„Das ist doch gar nicht der Punkt! Sondern, dass ich dieses dämliche Studium nicht mehr machen will. Ich will Kunst studieren! Aus diesem Grund haben Leon und ich uns getrennt, schon vergessen?“
„Das ist kein Argument. Leon hat sich von dir getrennt, weil er ein Arschloch ist.“
„Ich brauche auch gar keine Argumente! Warum diskutiere ich das überhaupt mit dir?“
Felix‘ Augen blitzten triumphierend auf. „Weil du tief in dir drin weißt, dass ich recht habe.“
Ich starrte ihn misstrauisch an. Das klang verdammt nach etwas, das unter Umständen ich schon mal zu ihm gesagt hatte. Und Felix‘ zuckende Mundwinkel verrieten, dass er die Worte absichtlich gewählt hatte.
„Du verarschst mich“, stellte ich fest.
Er lachte auf. „Ganz und gar nicht. Ich schlag dir nur deine eigenen Sprüche um die Ohren.“
„Ist nicht wirklich angenehm.“
„Aber wirksam.“
„Vielleicht bei jemandem wie dir, der tatsächlich dabei war, einen Fehler zu machen.“
„Ich finde, dass Felix recht hat“, mischte sich plötzlich Daniel ein. Seine Anwesenheit, die ich schon beinahe vergessen hatte, wurde mir auf unangenehme Weise wieder bewusst.
„Ach ja? Seit wann?“ Ich sah ihn scharf an. „Du hast mich doch immer in meinen Entscheidungen ermutigt.“
„Weil ich es bewundernswert finde, mit welcher Vehemenz du deinen Traum vom perfekten Beruf verfolgst. Aber vielleicht hat Felix recht. Vielleicht musst du einfach mal an etwas dran bleiben und sehen, ob die Krise nicht von allein vorbeigeht. Wenn dir Jura nach dem nächsten Semester immer noch zum Hals raushängt, kannst du ja wirklich Kunst studieren.“
„Aber dann hab ich ein ganzes halbes Jahr verschwendet!“
Felix und Daniel sahen sich an.
„Ich sag e es nur ungern“, begann ersterer. „Aber in deinem Alter macht das auch nichts mehr aus.“
„Das hört sich kein bisschen so an, als hättest du es ungern gesagt!“
„Hab ich auch nicht. So was wollte ich schon zu dir sagen, seit wir uns das erste Mal hier wiedergetroffen haben. Aber es ergab sich irgendwie nie die richtige Gelegenheit.“
„Scherzkeks.“
„Denk darüber nach.“
„Okay. Ich hab Hunger.“ Ich stand auf und ging zum Kühlschrank. „Warum ist der eigentlich immer leer?“
„Weil du nie einkaufst“, sagte Daniel.
„Ich meine e s ernst“, sagte Felix.
„Wieso sollte ich einkaufen gehen, wenn ihr beide zwei Stunden später schon alles aufgegessen habt und für mich doch nichts übrig bleibt?“
„Du kannst gar nicht wissen, dass es so sein würde, weil du es noch nie versuchst hast“, gab Daniel zurück.
„Hallo? Hört mich jemand?“ Plötzlich stand Felix hinter mir, drehte mich an den Schultern zu sich um und schüt telte mich. „Du sollst wirklich darüber nachdenken, kapiert?“
„Ja doch !“ Ich befreite mich aus seinem Griff. „Was sind wir heute hartnäckig!“
„Sieh es als meine letzte gute Tat , bevor ich abreise.
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