Liebster Mitbewohner
gehört zu haben. In meinen Träumen hatte ich einen betrunkenen Daniel gesehen, wie er versuchte, sich aus dem winzigen Küchenfenster zu stürzen und Felix, wie er tatkräftig dabei mithalf.
Ich ließ den Blick durchs Zimmer schweifen und stellte fest, dass Felix nicht in seinem Bett gesc hlafen hatte. Zumindest bildete ich mir ein, dass die Decke noch haargenau so zerknäult dalag wie am Abend zuvor.
Ich quälte mich aus dem Bett und zur Zimmertür, die seltsamerweise geschlossen war. Die hatte ich am Abend doch hundertprozentig offen gelassen. Ich schleppte mich Richtung Bad, doch bog kurz entschlossen zur Küche ab, als ich Stimmen von dort hörte. Am Küchentisch saßen zwei widerlich muntere Mitbewohner, tranken Kaffee und frühstückten frische Croissants und Brötchen.
„Na, gut geschlafen?“, fragte Daniel.
Ich hatte ihn noch nie so sehr gehasst wie in diesem Moment. „Nein, ich hab nicht gut geschlafen. Und weißt du auch, wieso? Weil ich mir die ganze Nacht Sorgen um dich gemacht hab!“
Daniel blinzelte verständnislos, stand auf, holte eine Tasse aus dem Schrank, befüllte sie mit Kaffee und hielt sie mir entgegen. „Wieso denn? Du hast doch extra Felix zu mir geschickt.“
Ich riss ihm die Tasse aus der Hand. „Ja, und der geht einfach los und kauft Alkohol!“
Felix warf Daniel einen Blick zu. „Hab ich dir doch gesagt, dass sie mir nicht vertraut.“
Ich nahm einen Schluck Kaffee und beruhigte mich sofort etwas. „Wie geht’s dir denn?“, fragte ich Da niel, Felix absichtlich ignorierend.
„Ganz okay , eigentlich.“
Ich setzte mich neben ihn. „Ist doch klar, dass das Zeit braucht. Wahrscheinlich wirst du dich jetzt eine ganze Weile mal okay fühlen, mal total fertig sein. Aber das geht vorbei.“
„Ähm, Maja?“
„Was denn?“, fragte ich mitfühlend.
„Das alles hat Felix mir gestern Abend schon gesagt. Glaub mir, wir haben das Thema totdiskutiert. Eigentlich will ich im Moment gar nicht mehr darüber reden.“
„Oh… okay.“ Das verstand Felix also unter einem Männergespräch . So wie ich das sah, war dabei der einzige Unterschied zu einem Frauen- oder Unisexgespräch, dass zwingend Alkohol anwesend sein musste. Ich warf Felix einen Blick zu. Er zuckte mit den Achseln.
„Hat dir Felix schon von seinem Praktikumsplatz erzählt?“, fragte Daniel begeistert.
„Hat er.“
„Ist doch eine super Chance, oder?“
Ich nickte.
„Du schuldest mir noch was“, sagte Felix plötzlich zu mir.
„Was?“
„Einen Freudentanz. “ Die beiden prusteten los.
Ich wurde den Verdacht nicht los, dass sie sich gestern Abend neben der Diskussion des Miri-Themas auch ausgiebig über eine gewisse Mitbewohnerin amüsiert hatten.
„Ha ha, ich lach mich tot.“ Schmollend trank ich noch etwas Kaffee. Dann murmelte ich: „Ich freue mich wirklich für dich. Ehrlich.“
Felix grinste noch immer, doch seine Augen blickten mich ernst an. „Danke.“
„Wann geht’s denn los?“
„Am Montag.“
Ich verschluckte mich an meinem Kaffee. „Übermorgen?“
„Ich hab dir doch erzählt, dass die ganz schnell eine Vertretung brauchen.“
„Und wo willst du wohnen? Bezahlen die dir überhaupt was für dein Praktikum?“
Felix und Daniel tauschten schon wieder so einen Blick, bei dem ich mir vorkam, als hätte ich etwas verpasst. „Sie bezahlen nicht viel, aber genug, um ein WG-Zimmer zu bezahlen. Leider hab ich noch keins, also wohne ich vorerst in einer Jugendherberge .“
„Aha.“
„Das ist meine Chance. Vielleicht bekomme ich nach dem Praktikum das Angebot, ein Volontariat anzufangen. Und selbst wenn nicht, bekomme ich schon mal eine Ahnung, ob die Arbeit bei einer Zeitung überhaupt was für mich ist. Vielleicht veröffentlichen die sogar mal einen Artikel von mir. Ich habe gestern kurz mit einem anderen ehemaligen Praktikanten geredet und der ist mittlerweile freier Mitarbeiter. Das heißt, die veröffentlichen regelmäßig Artikel von ihm. Unglaublich, oder, wie viele Türen einem so ein Praktikum öffnen kann!“
Ich wollte nicht, wirklich nicht. Aber ich konnte nicht anders. Ich musste lächeln. Aus Felix ‘ Stimme sprach so viel Begeisterung, so viel Aufregung. Und seine Augen glänzten wie die eines kleinen Jungen vor der Achterbahnfahrt. Genau das hatte ich doch gewollt, oder? Dass er sein Leben in die Hand nahm und etwas fand, das ihm wirklich Spaß machte. Er hatte sich ja anscheinend schon immer fürs Schreiben interessiert. Vielleicht war genau das sein
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