Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
Vom Netzwerk:
Gespräch sein Büro zur Verfügung zu stellen.«
    »Danke.«
    »Ich sehe keinen Grund, warum uns diese Angelegenheit besonders lang aufhalten sollte.« Seine Art entbehrte der hektischen Energie und der Zerstreutheit, die er zu anderen Gelegenheiten an den Tag legte. Ich war froh. Er nahm die Sache ernst. Endlich jemand, der Licht in die Angelegenheit bringen, der mich dort herausholen würde.
    »Ich habe überhaupt keine Ahnung, worum es hier geht«, sagte ich. »Das kann ich Ihnen versichern.«
    »Mr Johnson hat mir erklärt, dass die Polizei gegen illegale Publikationen vorgeht«, sagte der Dekan. »Wie es aussieht, könnten Sie unwissentlich in etwas hineingezogen worden sein.«
    Er schob mir eine Zeitung über den Schreibtisch zu, eins dieser Straßenblättchen mit Namen wie Scope und Searchlight . Ich dachte an den Händler, dessen Festnahme ich miterlebt hatte. Die Zeitung auf dem Schreibtisch trug ein Datum von vor einem Monat; was die Qualität der Herstellung anbelangte, hob sie sich geringfügig von den meisten anderen ab.
    Der Dekan fuhr fort: »Es geht schlicht darum, mit diesen Leuten zu kooperieren.«
    Ich hatte nicht die Kraft, mit dem Dekan zu diskutieren, ihm zu erklären, was für ein Mensch Johnson war, wie wenig man auf seine Aussagen geben konnte. Ich wartete.
    Der Dekan schob mir die Zeitung ein Stückchen weiter entgegen. »Er hat mich gebeten, Ihnen das zu zeigen.«
    »Was habe ich damit zu tun?«
    »Werfen Sie einen Blick hinein.«
    Ich schlug die Zeitung auf und begann, sie Seite für Seite durchzublättern. Ich konnte die Augen des Dekans auf mir spüren. Auf Seite drei, auf der rechten Seite, ließ mich eine Überschrift innehalten. Ich verspürte den gleichen kleinen elektrischen Schlag in meinem Herzen wie in dem Moment, als Johnson meinen Aufsatz erwähnt hatte. Dieser Artikel war »Ein Schwarzer auf dem Mond« überschrieben.
    »Lesen Sie das.«
    Ich hatte zu lange gezögert. Ich hätte einfach weiterblättern sollen, so tun, als wäre nichts. Zu spät. Also tat ich, wozu der Dekan mich aufgefordert hatte, und las den Artikel. Kurz gesagt, stellte er einen einzigen Angriff auf die Regierung dar, auf die konsequente Missachtung elementarer Menschenrechte seitens des Regimes. Der Fortschritt drohe in diesem Land zum Erliegen zu kommen, da die Oberschicht mehr daran interessiert sei, die eigenen Taschen zu füllen. Die Überschrift sollte dem Leser vor Augen führen, wie weit wir als Nation davon entfernt waren, eine derartige Leistung zu erbringen. Der Verfasser war nirgendwo angegeben, und ich stellte fest, dass es sich mit den übrigen Artikeln auch nicht anders verhielt. Ich überflog den Text; ein Satz fiel mir ins Auge, der mir noch immer gegenwärtig ist: Beim derzeitigen Tempo der Entwicklung wird es ein Jahrhundert erfordern, das zu erreichen, was viele Nationen in einem Jahrzehnt schaffen . Eine Umkehrung der Worte, die Julius – am allerersten Abend, den wir zusammen verbrachten – gebraucht hatte. Ein Jahrhundert Arbeit in einer einzigen Dekade. Er hatte über die Mondlandung gesprochen.
    Der Dekan beobachtete mich, auf Johnsons Stuhl zurückgelehnt, auf den Hinterbeinen des Stuhls und seinen Fußspitzen balancierend. Bevor ich das Ende erreicht hatte, unterbrach er. »Nicht gerade das, womit wir die Universität in Verbindung gebracht wissen möchten, da werden Sie mir doch wohl zustimmen.«
    Ich nickte, mir blieb kaum etwas anderes übrig.
    Er ließ den Stuhl nach vorn fallen und stützte die Ellbogen auf den Tisch. Er schwieg, klopfte sich mit dem Zeigefinger auf die geschürzten Lippen. Dann legte er die Fingerspitzen der beiden Hände aneinander und sah mich über ihren Spitzbogen hinweg an. »Wirklich, es geht nur darum, sich mit diesen Leuten zu arrangieren. Nicht mehr als das.«

25
    Kai sah zu, wie der Pumphebel auf und ab ging, die pinkfarbene Flüssigkeit im Glaszylinder von Seite zu Seite schwappte, während sich der Spiegel in ihm senkte und der in Old Faithfuls Tank stieg. Für Kai bedeutete die Farbe des Benzins jedes Mal eine kleine Überraschung. Er streckte sich, spürte, wie sich die Haut, straff vom Schwimmen, spannte. Durch die Fahrt bei offenem Fenster hatte er das Gefühl der Frische von diesem ersten Sprung ins Wasser zurückbehalten. Irgendwie hatte er nicht erwartet, ihr altes Ausflugsziel unverändert anzutreffen. Da sah man wirklich die Kraft der Natur. Mochte auch so viel anderes in Trümmern liegen – der Wasserfall, die Felsen, der Fluss:

Weitere Kostenlose Bücher