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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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kippte er sich den Rest seines Biers in die Kehle, öffnete den Mülleimer und ließ die Flasche hineinfallen. Dann öffnete er den Kühlschrank und holte ein paar Eier heraus, setzte die Pfanne auf den Herd. Als er das erste Ei in die Pfanne schlug, war das Öl schon so heiß, dass die Ränder des Eiweißes sich kräuselten und braun zu werden begannen. Wenn er kochte, waren seine Gedanken klarer. Er spritzte heißes Öl auf die Oberfläche des Eis, schaute zu, wie das Weiß opak, das Dotter fest wurde.
    Hinter ihm wiederholte Adrian: »Ich muss da wieder hin.«
    Kai schüttelte minimal den Kopf. »Sei kein verdammter Idiot.«
    »Ich muss.«
    »Hör zu«, sagte Kai, schärfer, als er beabsichtigt hatte. »Du hast keine Ahnung, in was du dich da hineinmanövrierst. Hier sind eine Menge Dinge passiert. Während des Krieges haben eine Menge Leute eine Menge Dinge getan. Andere haben die Gelegenheit genutzt, einen Haufen Geld zu machen. Manche Leute macht der Krieg reich. Dieser Kerl steckt in irgendeiner üblen Sache drin. Was immer in dem Haus da abläuft – Drogengeschäfte höchstwahrscheinlich –, du willst es nicht wissen.«
    »Was ist mit Agnes?«
    »Was ist mit Agnes?«
    »Sie leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie ist krank.«
    »Jesus!« Wütend jetzt, fuhr Kai zu Adrian herum; dem Schwung seiner Hand folgend, spritzte Öl auf die Arbeitsfläche und den Fußboden. »Wie zum Teufel kann ich dir das so erklären, dass du es kapierst? Wie viele Monate bist du jetzt hier? Zwei, drei? Es hat einen Krieg gegeben. Was erwartest du? Das hier ist kein Spiel. Den Typen in dem Haus kümmert’s einen Dreck, dass du britischer Staatsbürger bist. Wenn er dich töten muss, dann tut er’s.«
    Adrian riss ein Stück von der Küchenrolle ab und wischte das Öl von der Arbeitsfläche, ging in die Hocke und wischte den Fußboden ab. Kai sah die Grimasse, das Beben in des anderen Atem, Anzeichen dafür, welche Anstrengung es ihn kostete. Jetzt bekam er ein schlechtes Gewissen. Er schüttelte den Kopf. »Das ist nicht dein Land, Mann. Es tut mir leid. Aber das ist nicht dein Land.«
    »Das weiß ich«, sagte Adrian. »Ich weiß, dass das nicht mein Land ist. Aber es ist mein Job.« Er trat ein paar Schritte vor, griff nach der Whiskyflasche und schenkte sich ein weiteres Glas ein, um dann seine bisherige Position an der Wand wieder einzunehmen, nur dass er sich diesmal daran hinunterrutschen ließ und sich auf den Fußboden setzte.
    Kai holte das Ei aus der Pfanne und schlug ein weiteres hinein. Es war Abenteuerlust, was sie alle hierher führte, was sie durch die klaffende Wunde, die der Krieg hinterlassen hatte, lüstern in ihrem Eifer, ins Land spülte. Kai hatte es in den fiebrigen Augen der Frauen gesehen, im Schweiß auf ihrer Oberlippe, wenn sie sich an ihn schmiegten. Sie kamen, um ihre Zeitungsartikel zu bekommen, um schwarze Babys zu retten, um die Botschaft zu überbringen, um Geld zu machen, um schwarze Körper zu ficken. Sie hatten alle ihre persönlichen Gründe. Moderne Ritter, jeder seiner Trophäe, seinem ganz speziellen Gral hinterher. Adrians Gral war Agnes.
    Und dennoch.
    Und dennoch hatte Kai leicht reden. Seine Patienten kamen, eine endlose Schlange. Selbst wenn er sein Leben lang als Chirurg arbeitete, würde er nie damit fertig werden. So gesehen, war er beruflich autark, seine Arbeit klar und übersichtlich. Seine Erfolge waren messbar. Die Menschen, die er behandelte, konnten wieder gehen, konnten wieder atmen, wieder leben. Kai wusste etwas über Adrians erste Erfahrungen hier im Krankenhaus. Er erinnerte sich, wie der Mann bei ihrer ersten Begegnung auf ihn gewirkt hatte, irgendwie – nicht verankert. Seitdem hatte Kai die Veränderung bei Adrian beobachtet. Stichwort Ileana, oder der Mann, der die psychiatrische Anstalt leitete. Wie hieß er noch mal? Attila. Kai war Attila nur ein einziges Mal begegnet. Auf einer Finanzierungskonferenz war er zufällig ein paar Minuten mit Attila allein gewesen, die einzigen zwei Schwarzen im Saal. Kai war beeindruckt gewesen, hatte das Gefühl gehabt, dass Attila sich mehr als jeder andere einer gewissen Wahrheit angenähert hatte. Attila begriff etwas, das Kai nicht verstand. Noch nicht.
    Er betrachtete Adrians schmales und blasses Gesicht. Die Lethargie seines Freundes, die im Laufe des Tages verflogen war, hatte sich wieder eingestellt.
    Kai dachte außerdem auch an das letzte Mal, als er in dieser Stadt, Port Loko, gewesen war. Zusammen

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