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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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Mann zeigt an Adrians Kopf vorbei ins Zimmer. »Das Licht war an.«
    Adrian blinzelt, und da er nicht weiß, was er sonst tun könnte, geht er zur Seite.
    »Danke«, sagt der Mann und tritt über die Schwelle in die Wohnung. Seine Bewegungen sind präzise, sicher, anders als die von Adrian, der Mühe hat, eine Kerze und Streichhölzer zu finden, den Docht anzuzünden und die Kerze auf den Tisch zu stellen. Im flackernden gelben Licht entdeckt er im Profil des Mannes etwas Vertrautes.
    »Sie waren das eben mit der Frau?«
    Der Besucher nickt.
    »Was war los?«
    »Was los war?« Der Mann schaut zu Adrian auf. »Das Baby steckte fest. Die Frau lag zwei Tage lang in den Wehen.«
    »Und jetzt?«
    Er zuckt die Achseln. »Tja, jetzt ist es raus.«
    Adrian schweigt dazu.
    Der Mann kratzt sich am Ohr, geht aber nicht weiter ins Detail. Dann: »Sie wohnen also hier?«
    »Stimmt.«
    »Ja, ich glaube, ich hab davon gehört. Wir haben diese Wohnung früher benutzt, wissen Sie. Für zwischendurch, wenn’s spät geworden war. Was dagegen, wenn ich mich langlege?«
    »Ich hole Ihnen Bettzeug.«
    »Nur keine Umstände.«
    Adrian geht trotzdem ins Schlafzimmer, wo er zwei Laken ausfindig macht und ein Kissen von seinem Bett nimmt. Als er zurückkommt, sitzt der Mann, jetzt barfuß, und blättert in dem Buch, das Adrian aufgeschlagen auf dem Tisch liegen gelassen hat, starrt im unbeständigen Licht mit zusammengekniffenen Augen auf die Buchstaben und zwickt sich dabei in den Nasensattel. Beim Geräusch von Adrians Schritten legt er das Buch, aufgeschlagene Seiten nach unten, so wie er es vorgefunden hat, sorgfältig wieder hin. Aus welchem Grund auch immer möchte ihm Adrian versichern, dass es keine Rolle spielt, dass das Buch ihm gar nicht gehört, aber er sagt nichts. Als er sich vorbeugt, um Laken und Kissen hinzulegen, schaut der Mann auf und reicht ihm die Hand.
    »Kai Mansaray«, mit erschöpfter Stimme.
    »Adrian Lockheart.«
    »Angenehm.« Er legt das Kissen gegen die hölzerne Armlehne der Couch, boxt eine Vertiefung hinein und legt sich hin.
    Da offenbar nichts mehr kommt, geht Adrian, von sich aufbäumenden und zurückscheuenden Schatten begleitet, mit der Kerze in sein Schlafzimmer und legt sich ins Bett.
    In diesem Land gibt es keine Dämmerung. Keinen Frühling oder Herbst. Die Natur schlägt einen abgehackten Takt. Am Tagesanbruch ist nichts auch nur entfernt Zweideutiges, es ist dunkel, oder es ist hell, dazwischen kaum etwas. Adrian wacht bei Licht auf. Die Luft ist schwer und riecht schimmlig, wie in einem Kricket-Klubhaus, das man bei Saisonbeginn zum ersten Mal betritt. Der Geruch ist immer da, am Morgen stärker und an manchen Tagen mehr als an anderen. Er durchdringt alles, Bettlaken, Handtücher, seine Kleider. Staub und Schimmel.
    Vor seinem Fenster redet jemand mit lauter Stimme. Er hat keine Ahnung, was der Mann sagt. Für einen Moment schweift er mit den Gedanken ab. Von Sprachen umgeben zu sein, die man nicht versteht. Irgendwie so fühlte es sich wohl an, wenn man taub war. Die gehörlosen Kinder, die er kannte, deren Eltern ihn manchmal aufsuchten, wurden unnahbar, isoliert, selbst innerhalb ihrer eigenen Familie. Lautlose Inseln. Wenn endlich die Diagnose gestellt wurde, war der Schaden an ihrer Beziehung zu Eltern und Geschwistern bereits entstanden. Kein Wunder, denkt er, dass Taube ihre eigenen Gemeinschaften gründen. Der hörenden Welt bewusst den Rücken kehren.
    In der Küche ist Kai Mansaray – barfuß, aber wieder in den Sachen von vergangener Nacht – dabei, die Schränke zu durchsuchen. Als Adrian ihn grüßt, dreht er sich nicht um.
    »Hey, Mann. Nicht gerade viel da. Sagen Sie mir, dass Sie Kaffee haben!«
    Adrian öffnet einen Schrank an der gegenüberliegenden Wand und holt die Dose Instantkaffee heraus. Er füllt den Kessel mit Wasser aus der Plastikflasche und zündet die Gasflamme an.
    Kai Mansaray schaut ihm zu.
    »Durchs Kochen wird es steril.«
    »Ja, ich weiß«, sagt Adrian, der den Blick des anderen spürt. Er holt die einzigen zwei Becher, die er besitzt, herunter und stemmt den Deckel der Kaffeedose mit dem Ende eines Teelöffels auf. »Wie fanden Sie die Couch? Ich hoffe, es ging.«
    »Ja, prima, prima. Ich und Ihre Couch kennen uns schon eine Ewigkeit. Ich bin sowieso kein Langschläfer. Ich musste nach meiner Patientin sehen.«
    »Wie geht’s ihr?« Als keine Antwort kommt, schaut Adrian auf. Kai Mansaray studiert gerade das Etikett der Kaffeedose. Adrian ist sich nicht

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