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Lied aus der Vergangenheit

Lied aus der Vergangenheit

Titel: Lied aus der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Forna
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sicher, ob er die Frage überhaupt gehört hat. Plötzlich sieht der andere Mann auf.
    »Ich könnte was essen«, verkündet er. »Ich mach uns Frühstück.«
    »Es ist nicht viel da.«
    »Sagen Sie bloß.« Zum ersten Mal, seit sie sich begegnet sind, lächelt Kai Mansaray. »Entspannen Sie sich.« Er geht so geschmeidig um Adrian herum, dass dieser keine Zeit hat, ihm aus dem Weg zu gehen, öffnet die Wohnungstür. »Sssss! Heda! Komm!«, ruft er.
    Ein Stationshelfer kommt angelaufen. Kai gibt ihm ein paar Münzen, und kurze Zeit später ist der Mann mit einer Plastiktüte und zwei in Zeitungspapier eingeschlagenen frisch gebackenen Brotfladen wieder da. Kai reicht ihm noch eine Münze, und der Helfer nickt dankbar und verzieht sich. In der Küche legt Kai die Brote auf die Arbeitsfläche und packt die Tüte aus: eine Dose Milchpulver, eine weitere mit Kraft-Käse, Zwiebeln, ein Dutzend Eier, eine Frucht – groß, oval und grün mit einer gerippten Haut – und eine einzelne Limone.
    Adrian zieht sich zu den Geräuschen seines in der Küche wirtschaftenden Besuchers an. Effizienten Geräuschen, die eine geschickte Hand, eine geübte Vorgehensweise verraten. Trotzdem beeilt er sich mit dem Anziehen. Bis Adrian in die Küche zurückkommt, ist die Wohnung bereits vom Geruch bratender Zwiebeln erfüllt. Kai Mansaray schlägt mit einer Hand Eier in einen Suppenteller und quirlt sie schaumig. Er hat in der Teekanne Kaffee gemacht und den kaputten Deckel durch eine Untertasse ersetzt. Adrian gießt zwei Tassen ein und stellt eine in Reichweite seines Besuchers, lehnt sich dann gegen die Arbeitsfläche. In der Stille befällt ihn ein Prickeln von Befangenheit. Er verlagert sein Gewicht auf den anderen Fuß. Während er seinem Gast dabei zuschaut, wie er sich in der Küche – seiner Küche – zu schaffen macht, kommt es Adrian so vor, als sei er der Eindringling.
    An dieses zwischenmenschliche Schweigen muss er sich noch gewöhnen. In Großbritannien suchten ihn Menschen auf, von sich aus oder überwiesen. Er lernte, ihr Schweigen zu prüfen, zu erkennen, ob es von Scham oder Schmerz oder Schuld getönt war, von Widerstreben verfärbt oder mit Wut befleckt war. Er selbst setzte das Schweigen als einen Köder ein, spielte sein Schweigen gegen ihres aus, bis sie den Zwang verspürten, das Vakuum zu füllen. Hier haben diese Spielchen keinen Sinn, selbst bei den Leuten nicht, die er als seine Patienten bezeichnet. Wenn Adrian verstummt, tun sie es auch und warten geduldig und ohne jede Befangenheit. Hier besitzt Schweigen eine andere Qualität, entbehrt es jeglicher Erwartung. Und so schaut er Kai Mansaray dabei zu, wie er mit einem Messer Käselocken hobelt. Flinke, geschickte Bewegungen. Als Nächstes löffelt Kai zwei Teelöffel Milchpulver in eine Teetasse, lässt ein bisschen Wasser vom Hahn hineintröpfeln und verrührt Pulver und Wasser zu einer Paste. Die fügt er zusammen mit dem Käse den Eiern hinzu, zündet die Gasflamme unter der Pfanne wieder an und gießt die Mixtur hinein. Während das Rührei brät, zerteilt er die Frucht, löffelt blanke grauschwarze Samen heraus, schneidet die Limone entzwei und drückt sie über dem orangefarbenen Fleisch aus. Sie setzen sich zu Tisch.
    »Papaya!«, sagt Adrian, als er die Frucht erkennt; er hat noch nie eine so große gesehen.
    » Pawpaw «, erwidert der andere.
    »Pawpaw. Ist das der hiesige Name der Papaya?«
    Kai wirft ihm einen kurzen Blick zu. »Ganz genau.« Er beißt ein Stück ab. »Niederlande?«
    »Wie bitte?«
    Kai Mansaray isst schnell, über den Tisch gebeugt, die Arme neben dem Teller aufgestützt, wie um sein Essen zu verteidigen. »Wo Sie her sind.« Er reißt ein Stück Brot ab und deutet auf Adrians Brust.
    »Ich bin Engländer.« Adrian runzelt die Stirn. Ist doch wohl offensichtlich.
    »Okay. Wir kriegen halt eine Menge Holländer rein. Innere oder Notfall? In der Chirurgie sind Sie nicht.«
    »Eigentlich weder noch.« Adrian trinkt einen Schluck Kaffee. »Ich bin Psychologe.«
    Der andere Mann schaut von seinem Essen auf, hebt kurz die Augenbrauen, neigt den Kopf. »O-kay.« Er spricht das Wort in zwei Teilen aus, so sauber gespalten, als habe er eine Axt benutzt. Als lasse er sich die Aussage gründlich durch den Kopf gehen, um ihre Wahrscheinlichkeit zu prüfen. Adrian hätte ebenso gut behauptet haben können, der Weihnachtsmann zu sein. »Und? Müssen Sie für die Wohnung hier bezahlen?«, fragt er.Themawechsel.
    Adrian sagt es ihm, und Kai

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