Lied aus der Vergangenheit
Damit ist Adrian bei Weitem der Ältere. Er begreift, warum er so überrascht war zu erfahren, dass Kai seine Heimat, dass er Afrika noch nie verlassen hat. Es liegt an der Weltläufigkeit, die er ausstrahlt, und die jetzt dadurch umso auffälliger wird, dass sie vorübergehend ausgeblendet ist.
Ein einzelner Finger klopft auf dem Arm der Couch einen lautlosen Rhythmus.
»Kaffee?«, sagt Adrian, plötzlich befangen.
»Klar, warum nicht?«, antwortet Kai. Seine Augen bleiben geschlossen. Adrian stellte eine Tasse auf den Tisch, und die Flüssigkeit schwappt sanft in der Tasse. Kai öffnet die Augen, streckt die Hand danach aus.
Mitten in der Nacht. Adrian wacht auf. Er hat vom Whisky einen trockenen Mund. Die Wasserflasche auf dem Nachtschränkchen ist leer. Er macht sich auf den Weg in die Küche, schaltet dabei verschiedene Lichter an. Zu spät erinnert er sich an Kai, schaltet hastig das Licht wieder aus und ist gezwungen, kurz stehen zu bleiben, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt haben. Er fragt sich, ob er Kai geweckt hat, lauscht nach dessen Atem und hört ihn. Langsam tastet er sich an den Wänden entlang in die Küche.
Dort öffnet er den Kühlschrank, holt eine Plastikflasche Wasser heraus und führt sie sich an die Lippen. Er streift den Baumwollvorhang zurück. Kein bisschen Mond zu sehen. Er hört Geräusche von nebenan. Ein Murmeln. Murren. Er nimmt die Flasche vom Mund und lauscht.
Seine barfüßigen Schritte in den Ohren, geht er an die Tür. Kai sitzt auf dem Rand der Couch.
»Oh. Ich habe Sie geweckt«, sagt Adrian. »Tut mir leid.«
Als keine Erwiderung kommt, tritt er zögernd näher, ins Dunkel spähend. Kai sitzt auf der Couch, die Arme an die Seiten gepresst, den Kopf nach oben gewandt, die Augen offen. Er spricht, aber Adrian versteht kein einziges Wort, nur ein monotones Gebrabbel. Schneller jetzt. Und lauter. Gefolgt von einem Keuchen, als habe man ihm einen Schlag gegen die Brust verabreicht. Stille. Dann geht das Gemurmel wieder los, langsam lauter werdend.
Adrian streckt die Hand nach ihm aus, drückt ihn sanft wieder zurück auf die Couch. »Sie träumen«, sagt er mit ruhiger Stimme. »Sie schlafen und träumen.« Er bleibt dort, bis das Murmeln verstummt, geht dann zurück in sein Zimmer.
Am Morgen wird Adrian von Lärm geweckt. Ihm brummt der Schädel. Von oben kommen die lauten, kratzenden Geräusche von Vögeln, die mit ihren Krallen auf dem Wellblechdach Halt zu finden versuchen. Er steht auf und klopft versuchsweise an die Wohnzimmertür, drückt sie auf. Das Kissen und die Laken zerknautscht auf der Couch, das Ludobrett und verstreute farbige Spielsteine, die leere Whiskyflasche. Er steht da und betrachtet die Szene, dann dreht er sich um und geht in die Küche.
Während das Kaffeewasser zu sieden beginnt, hört Adrian die Tür gehen und holt eine zweite Tasse aus dem Schrank. Plötzlich wird ihm bewusst, wie leer er sich in den letzten Wochen gefühlt hat.
In den folgenden Tagen und Wochen beginnen ihre Lebensrhythmen ineinanderzugreifen. Kai gewöhnt sich an, wenn er ein paar freie Minuten hat, vorbeizuschauen und manchmal in Adrians Wohnung zu duschen. Eines Tages kommt er gerade an, als Adrian die Wohnung verlassen will. Adrian lässt ihn hinein und gibt ihm einen Schlüssel, damit er hinter sich abschließt. Schlägt vor, dass er ihn genauso gut behalten könnte.
An manchen Tagen kommt Adrian heim, und Kai sitzt im Wohnzimmer, sieht Unterlagen durch oder macht sich Notizen. Das Muster von Kais OP -Pausen wird Adrian allmählich vertraut, und er bemüht sich gelegentlich, seine Arbeit zu denselben Zeiten zu unterbrechen. Ihm wird bewusst, dass er sich, wenn er an den Abend denkt, auf die Gesellschaft des anderen Mannes freut.
Und so entsteht eine neue Freundschaft.
6
Das Krankenhaus ist von einer hohen Mauer aus rohen, nackten Blöcken umgeben, zwischen denen erstarrte Zementschollen hervorquellen. Echsen tanzen zwischen Scherben von Flaschenglas, die in ein Beet aus Zement gepflanzt sind. Eine Halskrause von NATO -Draht zieht sich um das Gebäude.
Vor Elias Coles Zimmer hat sich ein Drachen verfangen. Ein schwarzer Drachen mit einem Bambusrahmen, Schwingen aus schwarzem Plastik und einem Schwanz aus gerissenen Streifen. Er zappelt und windet sich wie ein Vogel in der Falle. Je heftiger er sich loszureißen versucht, desto hoffnungsloser wird seine Lage.
In einem Augenblick des Schweigens folgen die Augen des alten Mannes Adrians Blick, und beide
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